Olaf Schulze

Klimaschutz: Aufgaben und Ziele Task Force for Carbon Pricing in Europe

Interview mit Olaf Schulze, Director Energy Management der METRO

Herr Schulze, Sie sind Mitglied der Task Force for Carbon Pricing in Europe. Was sind Aufgaben und Ziele dieses Gremiums?

Die Task Force for Carbon Pricing in Europe wurde unter Führung von Edmond Alphandery, ehemaliger französischer Finanzminister im Kabinett Balladur, als Diskussionsforum mit Think Tanks, Unternehmen und Organisationen gegründet, u.a. ENGIE, Iberdrola, SNCF, OECD, IEA, Axa, Meridiam, France Stratégie, TOTAL. Beteiligt sind auch PIK Potsdam und Germanwatch, Allianz und METRO. Ziel ist es, der Politik Vorschläge und Handlungsangebote zur Erreichung der Klimaschutzziele zu machen. Der Fokus liegt dabei auf der Einführung eines CO²-Pricing zur Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2°C bis 2050. Wichtig ist, dass wir das Pricing diskutieren, weil Paris 2015 im Ergebnis eine CO² Emissions- Minderungs- Verpflichtung der internationalen Partner zur Wahrung der Schöpfung und des Lebens auf der Erde vereinbarte.

Ob das CO²-Pricing ein Marktpreis oder eine Steuer bzw. Abgabe sein soll, ist Aufgabe der Politik, aber beides hat Vorteile und Nachteile. Im Strommarkt besteht seit 2005 das ETS Emission Trading System der EU, dass teilweise bei CO² Preisen von 5 €/to ad absurdum geführt wurde, derzeit aber bei 25 €/to wieder Lenkungswirkung auf Energieerzeugung mit geringem CO² Ausstoß entfaltet. Vom PIK ist dazu ein Pricing-System entwickelt worden, Prof. Edenhofer hat dafür den Umweltpreis 2020 empfangen. Es gibt in der EU das ETS für Strom und Luftverkehr, aber kein vergleichbares Instrument für die Bepreisung der CO²- Emissionen aus Wärme und Treibstoff.

Um die Emissionen in der Atmosphäre zu verringern, benötigen diese ein Preisschild und Preissignal, so dass die Emittenten, also auch wir als Unternehmen und Verbraucher, Signale erhalten, von fossilen Energieträgern wie Kohle, Gas oder Diesel auf Energieträger mit geringeren Emissionen, z.B. erneuerbare Energie umzustellen. In Deutschland wird ab dem 1. Januar 2021 die CO² Bepreisung auf fossile Energieträger mit einer Zertifikateerwerbspflicht der Inverkehrbringer der Energieträger mit 25 €/to CO² eingeführt. Diese steigt bis 2025 auf 55 €/to und wird danach als festgelegter Price- Floor weitergeführt, wenn der Gesetzgeber nicht etwas Neues zusammenträgt.

In Frankreich gibt es schon länger eine ähnliche CO²-Bepreisung. Diskutiert wird nicht nur die Lenkungswirkung und Notwendigkeit des Carbon Pricing, sondern auch Implikationen auf die Bevölkerung und Wirtschaft, etwa die Proteste der Yellow Vests in Frankreich, die sich an der eingeführten CO²- Steuer manifestierte, oder die Carbon Border Tax, damit sich die EU nicht aus dem weltweiten Wettbewerb mit in diesem Sinne künstlich gestiegenen Kosten schießt.

Ist es problematisch, dass die Task Force französisch dominiert ist?

Nein, denn, es geht nicht um Proporz, sondern um Inhalte. Ich war 2018 in der französischen Botschaft auf einem Zwei-Stunden- Meeting zum Carbon Pricing. Die Botschafterin hat persönlich gesprochen, weil natürlich Präsident Macron sehr deutlich ein Carbon Pricing forcierte. Von unseren Wirtschaftsverbänden kam das damals Übliche “Geht nicht, unfair, wollen wir nicht.“ Ich habe das Gegenteil als Letzter gesagt, weil wir seinerzeit schon einen internen CO²-Preis für Investitionsentscheidungen eingeführt haben – deshalb wurden wir zur Mitarbeit in der Task Force angesprochen. Mittlerweile habe ich den deutlichen Eindruck, dass die deutsche Industrie und Industrieverbände zum Zugpferd geworden sind und teilweise die Politik treiben.

Am Ende vertreten Menschen die Interessen, und wir müssen immer aufpassen, dass wir keine Ja-Sager erziehen, sondern aufrichtige Persönlichkeiten, die die Diskussion nicht scheuen. Natürlich ist im ersten Schritt niemand so töricht, höhere (Klima-)Steuern zu fordern, aber Einsicht, Erkenntnis und Transparenz, auch der Mittelverwendung, und Weitsicht sind gute und wichtige Tugenden. Jetzt gibt es in Deutschland mit 25 €/to CO² ab 1. Januar 2021 ein Pricing mit dem Ziel, die Emissionen im Wärme- und Verkehrssektor zu senken.

Was bedeutet Ihnen diese Zusammenarbeit, und welche Aufgabe hat METRO hier?

METRO ist wohl anfangs zufällig zu der Task Force als Best Practice eingeladen worden. Wir sind im eigentlichen Sinne nicht systemrelevant – aber die meisten Energieverbraucher sind einzeln nicht relevant. Aber wir sind eine Referenz, denn als international in 34 Ländern tätiges Unternehmen sind wir fast eine kleine EU oder große Föderation und haben ein ambitioniertes Klimaschutzziel bis 2030: gegenüber 2011 50% CO² pro Quadratmeter Nettobetriebsfläche Emissionen zu reduzieren. Als Holding haben wir dafür einige Steuerungsinstrumente, u.a. einen internen CO² Preis für alle Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen. 2017 haben wir als Zielvorgabe 25 €/to eingeführt Dies hat aber nicht die gewünschte Lenkungs- oder Signalwirkung entfaltet und ist daher seit Mai 2019 auf 50 €/to erhöht worden.

Wie oft haben Sie sich bisher getroffen?

Ich bin seit Januar 2019 dabei, das erste Meeting war in Paris, das zweite im April 2019 in Berlin. Im Mai 2019 war sodann eine Besonderheit – ein Treffen mit einer Chinesischen Delegation in Paris: die VR China ist ein Hauptemittent nach Größe und Qualität in der Welt, führt aber derzeit in der Stromproduktion als Steuerungsinstrument ähnlich dem ETS eine CO²- Bepreisung an der Erzeugung ein. Anlässlich der UN Climate Week Ende September 2019 fand im französischen Konsulat in New York ein weiteres EU- China Treffen statt und im Oktober – mit Laurent Fabius – in Guangzhou. In China war ich nicht dabei, aber mein Kollege Alan, von METRO Wumei China. Denn in China haben wir in der Vergangenheit viel in Energieeffizienz und erneuerbare Energien am Großmarkt investiert, und der interne CO²-Preis galt auch dort.

Im November 2019 hieß es dann ‘Time for Climate Action’. Auf der Brüsseler Mittwochsgesellschaft der METRO gemeinsam mit dem Partner Aurubis sprach Edmond Alphandery mit Linus Steinmetz von Friday for Future und vielen anderen Honorationen: das war ein Gleichnis wie bei Jürgen Kuczynski, der das Buch „Dialog mit meinem Urenkel - Neunzehn Briefe und ein Tagebuch“ (1983) schrieb.

Im Januar fand in Wien das letzte physische Meeting statt, insbesondere auch um die Partner in Osteuropa für das CO² Pricing, deren Notwendigkeit und Wirkung zu gewinnen.

Wie werden bei der METRO Nachhaltigkeitsmaßnahmen gemessen?

Wir messen die Einsparungen an CO² je Quadratmeter, haben derzeit 34,7% gegenüber dem Basisjahr 2011 erreicht. Darüber hinaus messen wir uns mit anderen Mitbewerbern z.B. im Ranking des Dow Jones Sustainability Index, durch unsere regelmäßigen Mitarbeiterumfragen und bei unseren Kunden mit dem Net Promotor Score. Eines unserer fünf Geschäftsgrundsätze heißt konsequenterweise: Nachhaltiges Wirtschaften – Sustainable Business.

Was bedeutet der Lockdown für METRO?

Die Pandemie und insbesondere der Lockdown trifft vor allem unsere Kunden in der Gastronomie stark, als Großhändler stehen wir dabei eng an ihrer Seite und unterstützen sie bestmöglichst. Der Klimawandel ist noch dramatischer. Seine Auswirkungen sind uns nicht so deutlich vor Augen wie die Auswirkungen der Corona-Krise. Er stellt uns langfristig vor riesige Probleme, deswegen müssen wir das heute angehen und am Ball bleiben – auch wenn gerade andere Themen präsenter scheinen. Darüber hinaus bietet die Pandemie auch Anknüpfungspunkte – so haben wir uns zur Kompensation der Klimawirkungen von in der Gastronomie eingesetzten Heizpilzen in Klimaprojekten in Bulgarien, Pakistan und in Deutschland engagiert. Ich arbeite daran, dass wir die nächsten 10.000 m² Bergwaldprojekt und ein Wiederaufforstungsprojekt in der Türkei angehen können.

Unser Geschäftsgrundsatz heißt nachhaltiges Wirtschaften und nicht nur Nachhaltigkeit – wir müssen bewerten können, ob ein solches Engagement auch den Gastronomen und der Verlängerung der Außensaison zugutekommt. Es geht hier auch um Symbole und darum, gemeinsam Initiative zu zeigen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Anmerkung: Die METRO AG wurde bereits zum 6. Mal in Folge im Nachhaltigkeitsranking der Dow Jones Sustainability Indizes (DJSI) im Bereich „Food & Staples Retailing“ (Lebensmittelhandel) gelistet. Das geht aus den am 13. November nach Börsenschluss in den USA veröffentlichten Ergebnissen des diesjährigen Nachhaltigkeitsrankings hervor. Der international renommierte Dow Jones Nachhaltigkeitsindex bewertet auf jährlicher Basis die Nachhaltigkeitsarbeit von börsennotierten Unternehmen weltweit – rund 3.500 Unternehmen haben in diesem Jahr an dem 1999 gegründeten Assessment teilgenommen. Die Index-Familie wurde gemeinsam von S&P Dow Jones Indices und RobecoSAM entwickelt, seit diesem Jahr führt S&P die Analyse durch. Der Best-in-Class-Benchmark dient Investoren als Indikator für die börsennotierten Unternehmen, die die besten ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Leistungen erbringen. 2020 hat das SAM Corporate Sustainability Assessment, das die Basis für das Vergleichsranking bildet, mit einem Zuwachs von 19 % die meisten Nachhaltigkeitsbewertungen in seiner Geschichte verzeichnet. Der Fragenkatalog zur Nachhaltigkeitsbewertung wird fortlaufend angepasst. Erstmals gestellt wurden in diesem Jahr zum Beispiel auch Fragen zum Anteil nachhaltiger Verpackungsmaterialien wie Glas, Papier und Plastik oder recycelter Plastikverpackungen. Trotz neuer Fragekategorien konnte METRO seine Bewertung im Ranking nahezu halten und erreicht 81 Punkte. Der Vergleichsindex wird in 3 übergeordnete Themenfelder aufgegliedert: Ökonomische, Umwelt- und soziale Dimension. Überzeugen konnte METRO in der ökonomischen Dimension vor allem in den Bereichen Policy Influence – dem Dialog mit politischen Stakeholdern, mit der Gesundheits- und Ernährungsstrategie sowie in dem Themenfeld Datenschutz. In der Umweltdimension erreichte das Großhandelsunternehmen in den Bereichen Klimaschutzstrategie, gentechnisch veränderte Organismen und Wasserrisiken in der Lieferkette die volle Punktzahl in der Bewertung. In der sozialen Dimension überzeugte METRO wie auch in den Jahren zuvor unter anderem im Bereich Menschenrechte.

Zur Person:

Olaf Schulze, 1963 in Halle/Saale geboren, Director METRO PROPERTIE Holding GmbH. Er leitet den Bereich Energy Management der METRO. Seit 2005 METRO GROUP, zunächst Geschäftsführer METRO PROPERTIES Energy Management GmbH. Berufliche Stationen u. a. Leiter Recht und Versicherungen Geberit Mapress GmbH, Langenfeld; Leiter Recht und Personal EuroPower Energy GmbH, Frankfurt a. M.; Gruppenleiter Recht und Versicherungen Thüringer Energie AG, Erfurt. Olaf Schulze studierte Staats- und Rechtswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, legte 1993 in Düsseldorf das zweite juristische Staatsexamen ab und wohnt in Erfurt.

Weiterführende Informationen:

Olaf Schulze: Mobilität gegen den Klimawandel. Das Mobilitätskonzept der METRO. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020, S. 157-176.

Olaf Schulze: Energie für den Handel – Herausforderungen für Unternehmen und Politik. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Aufl. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020, S. 21-53.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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