Motivieren für den Wandel – wahrhaftige Verbindung herzustellen ist möglich, sie braucht nur mehr Aufmerksamkeit. - © Getty Images

Krise und Change: Was dein Team jetzt von dir braucht und welche Leitfragen dir helfen

**„Wie kann ich meine Mannschaft und auch mein Führungsteam für den aktuellen Change motivieren?“ – „Was brauchen die Menschen von mir als Leader?“**Diese und ähnliche Fragen erreichen mich häufig im Business Coaching.

Das eigene Führungsteam im Change mit Klarheit und Stärke zu führen – jeden Tag aufs Neue – kann wirklich herausfordernd sein. Dabei selbst auch noch voranzugehen, mit Energie und Zielstrebigkeit, kann zum erschöpfenden Dauerlauf für Führungskräfte werden.

Eine besondere Herausforderung für sie besteht darin, die Menschen auf Distanz zu erreichen. Zwar fehlen 86% der Unternehmen noch konkrete Pläne für Hybrid-Work, aber hybride Arbeitsmodelle haben nahezu überall Einzug gefunden, so eine aktuelle Studie von McKinsey.

Die einzelnen Führungskräfte und Mitarbeiter sitzen global auf der Welt verteilt, und man begegnet einander den Großteil der Zeit per Kamera. Gerade in emotional herausfordernden Phasen wie im Change gestaltet es sich dadurch schwer, echtes Commitment zu erzeugen. „Wie kann ich mir als Leader sicher sein, ob ich mein Gegenüber wirklich erreicht habe und die Menschen an Bord sind für den aktuellen Change?“ Das ist schwieriger geworden in hybriden Settings. Aber diese wahrhaftige Verbindung herzustellen ist möglich, sie braucht nur mehr Aufmerksamkeit.

Ich möchte dir heute ein hilfreiches Modell zeigen, das dich als Führungskraft in Zukunft dabei unterstützen kann. Wie du die Verbindung zu deinem Gegenüber schneller und tiefer herstellen kannst und ihn/sie im Change abholst und wirklich mitnimmst.

„Das sichtbare Verhalten als Kompass im Change verstehen“

Das Modell unterscheidet sechs unterschiedliche Zustände. Sie ergeben sich aus den beiden Skalen Einstellung und Verhalten:

Die Skala Einstellung reicht dabei von „Ablehnung“ bis hin zu „Zustimmung“.

Die Skala Verhalten reicht dabei von „Widerstand“ bis hin zu „Unterstützung“.

Einstellung und Verhalten in Veränderungen
Einstellung und Verhalten in Veränderungen

Das Modell basiert auf der Erkenntnis, dass unser äußeres, sichtbares Verhalten von innen heraus motiviert ist. Du selbst hast starke innere Motivatoren, Antreiber und Haltungen, die dein Verhalten prägen. Auch das Verhalten deines Gegenübers wird von inneren Haltungen, Antreibern und Motivationen geprägt. Unser Innenleben bestimmt unser Außen. Manchmal wird uns dies bewusst, manchmal bleibt es unbewusst. Sich dies bewusst zu machen, hilft dein Gegenüber im Change zu verstehen.

Die Skala der inneren Haltungen kann dabei groß sein. Der andere steht dem Change vielleicht kritisch gegenüber oder vielleicht ist er ganz überzeugt vom Wandel? Je nachdem wirst du ein entsprechendes Verhalten beobachten können. Ein Verhalten, das eher Widerstand deutlich macht, könnte sich dadurch zeigen, dass er/sie Worte wählt wie „Ich zweifle … ich bin mir nicht sicher …“ oder er/sie hält sich nicht an Vereinbarungen. Vielleicht kannst du aber ein Verhalten beobachten, was unterstützend ist, z.B. dass jemand proaktiv seine Ideen im Change einbringt oder einen hohen Redeanteil hat.

In Summe können also sechs Zustände im Change unterschieden werden, die sich aus einer Kombination von Einstellung und Verhalten bilden. Ich clustere und verdichte hier, um die Beschreibung prägnanter für dich zu halten:

1. Überzeugt!

Manchmal sind Menschen einfach überzeugt vom Change! Herrlich! Sie stimmen dem Change innerlich zu. Sie empfinden den Change als positiv! Sie sind innerlich motiviert, zeigen ein proaktives Verhalten und bringen sich mit Ideen ein. Vielleicht kannst du ein Leuchten in den Augen beobachten, wenn sie von den Chancen und Möglichkeiten sprechen. Vielleicht gestalten sie gern, sind gern sichtbar oder identifizieren sich mit der Aufgabe.

Ein Selbstläufer im Change? Fast. Sie brauchen von dir als Führungskraft auch etwas – Anerkennung, Verantwortung und eventuell auch die Bühne. Versuche, ihnen einen Rahmen zu geben, in dem sie frei agieren können. Schaue darauf, dass diejenigen, die sehr überzeugt vorangehen, im stetigen Austausch mit dem gesamten Team bleiben – damit sich alle möglichst mitgenommen fühlen.

Zustand deines Gegenübers: „begeistert – vorantreiben“ oder „überzeugt – umsetzen“

2. Unentschlossenen!

„Manche Dinge am Change sind okay, manche Dinge so gar nicht.“ Es ist verständlich, fast ur- menschlich, dass Menschen Veränderungen erst einmal skeptisch gegenüberstehen. Dein Gegenüber ist möglicherweise noch zögerlich und indifferent und möchte sich erst einmal ein Bild vom Change machen. Das Vertrauen in den Change ist noch nicht da. Du als Leader kannst ein eher passives Verhalten beobachten, manchmal späte Reaktionen. Vielleicht werden viele Rückfragen gestellt und Worte wie „Ich zweifle …“ genutzt.

Prüfe für dich, ob es berechtigte Gründe für diese Skepsis gibt. Was es dann aber darüber hinaus von dir als Leader braucht, sind Informationen, Informationen, Informationen. Auch gute Argumente und Fakten im direkten Austausch können helfen. Denn es geht in diesem Zustand darum, Klarheit herzustellen und auf das Sicherheitsbedürfnis einzugehen. Insbesondere deine Empathiefähigkeit ist gefragt. Aktives Zuhören und vertiefende Fragen helfen dir, die Verbindung herzustellen und ein Stück mehr Sicherheit und Vertrauen im Change zu vermitteln. Achte als Leader darauf, erreichbar zu sein, und mache Angebote, in denen sich Menschen einbringen und partizipieren können. So kann das Gefühl gestärkt werden „sich wieder an Bord zu fühlen“.

Zustand: „zögerlich – abwarten“ oder „skeptisch – standhalten“

3. Im Widerstand!

Ein Change kann auch viel Widerstand in Menschen hervorrufen. Vielleicht sind die Menschen persönlich negativ betroffen, und sie tragen Befürchtungen, Zweifel oder Ängste in sich. Sie stehen dem Change kritisch bis frustriert gegenüber. Vielleicht kannst du diesen Ärger beobachten: Dein Gegenüber hebt die Stimme, benutzt eine bewertende oder abwertende Sprache, wenn es um den Change geht. Ängste, Zweifel bis hin zu Wut und Frust können hier das Verhalten motivieren.

Hier braucht es von dir als Führungskraft ein frühzeitiges Agieren, sonst besteht die Gefahr, dass sich Verhaltensweisen und Widerstände verhärten. Es kann ein Weg sein, deine Beobachtungen (Achtung, nicht deine Interpretationen!) in einem vertraulichen 1:1 offen anzusprechen und das sichtbare Verhalten oder von dir gehörten Worten offen zu spiegeln.

In der Regel brauchen Menschen in diesem Zustand Informationen aber auch ein Wertschätzen ihrer Erfahrungen. Versuche, eine offene Kommunikation herzustellen, aber auch Grenzen aufzuzeigen und eine Vereinbarung zu treffen.

Zustand: „kritisch – konfrontieren“ oder „frustriert – verhindern“

„Ganz präsent beim anderen sein und connecten“

Veränderungsprozesse sind intensive Phasen. Besonders in diesen brauchst du also eine besondere Aufmerksamkeit und Präsenz für den anderen und für dich. Ganz gleich ob es sich um jemanden aus deinem Führungsteam oder einen Mitarbeiter handelt.

Das Modell kann dir helfen, das sichtbare Verhalten wahrzunehmen und „zu nutzen“ was wir angeboten bekommen: „Was genau sagt mein Gegenüber? Welche Worte benutzt er oder sie? Wie ist die Körperhaltung? Wann schluckt er/sie vielleicht besonders schwer?“ (ohne eine Bewertung vorzunehmen). Versuche dabei erst mal, wahrzunehmen, vertiefende Fragen zu stellen und dich darauf zu beziehen, was du hörst und siehst. Denn es geht darum, genau diesen Zusammenhang von Verhalten und Einstellung zu erkennen und entsprechende kommunikative Fähigkeiten zu trainieren.

Manchmal ist der Kalender sehr voll, und vielleicht verspürst du Druck und Ergebnisse werden erwartet. Oder du schreibst neben dem Meeting E-Mails. Dann fällt es uns besonders schwer, zuzuhören und präsent zu sein. Das kann passieren. Mache dir aber bewusst, welche Wirkung du als Leader gerade in solchen Changephasen hast und wie viel du wahrnehmen kannst, wenn du wirklich hinhörst und wirklich beobachtest. Und auch wenn es auch nur per Monitor ist. Das Verhalten ist das, was du ganz objektiv „lesen“ kannst. Und es ist das, was dir einen Zugang zum anderen ermöglicht. Denn genau diese Präsenz ermöglicht Verbindung, gerade auch in Changephasen oder Krisen.

Leitfragen für deine innere Reflexion können sein:

  • Was braucht mein Gegenüber von mir?

  • Wie geht es dem anderen gerade mit mir?

  • Stelle ich gerade die Verbindung her? Biete ich Verbindung an?

  • Wie ist das Gefühl nach dem Call? Was bleibt?

Versuche, zu sehen und zu verstehen, wo Menschen im Change gerade stehen. Ohne sie dafür zu bewerten. Hole sie genau da ab, wo sie gerade stehen. Ich wünsche dir tiefe Gespräche mit ganz viel Verbindung im Change.

Charlotte Geyer schreibt über Wirtschaft & Management, Bildungswesen

Charlotte Geyer ist Beraterin und Executive Coach. Als Co-Inhaberin von BRIDGEHOUSE entwickelt sie Führungskräfte und Organisationen für die zukünftige Arbeitswelt. Zuvor war sie in der Management Beratung tätig und hat dort Transformationsprojekte sowie die Ausbildung für Business Coaches geleitet.

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