Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

„Nachhaltige Mobilität soll auch Spaß machen“

Pixabay

Interview mit dem Bahnexperten Benedikt Weibel, der in seinem neuen Buch „Wir Mobilitätsmenschen“ die damit zusammenhängenden Herausforderungen ausleuchtet.

Welche politischen Rahmenbedingungen braucht eine wirkliche Mobilitätswende?

Es braucht den politischen Willen, die Klimafrage mit oberster Priorität anzugehen, das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Aufgabe, einen Plan anstelle von Einzelaktionen und eine potente Projektorganisation.

Welche innovativen Lösungen aus der Wirtschaft gibt es?

Unter dem Titel Ersatz fossiler Treibstoffe läuft enorm viel, Stichworte sind: Verbesserung der Effizienz und Rezyklierbarkeit von Batterien, Entwicklung synthetischer Treibstoffe, verschiedene Formen der Verwendung von Wasserstoff. Große Dynamik herrscht auch unter dem Begriff „Intelligent Transport Systems“, wo es um eine bessere Steuerung des Verkehrs auf der Straße und Schiene geht.

Wie funktioniert die Mobilitätswende bislang?

Das Ziel, die Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2020 um 20 Prozent zu reduzieren, wurde grandios verfehlt, die Emissionen haben sogar noch zugenommen. Es gibt kaum Konzepte, man kapriziert sich weitgehend auf Einzelmaßnahmen. Was zuversichtlich stimmt, ist die Dynamik in der Industrie, die wir von allem Elon Musk und Tesla zu verdanken haben.

Was war für Sie der Auslöser für Ihr Buch „Wir Mobilitätsmenschen“?

Das Thema begleitet mich das ganze berufliche Leben. Und dann hat Corona meine Agenda freigespült, und ich habe zu schreiben begonnen.

Wie gelingt es, Menschen die Angst vor Veränderungen haben, auf dem Weg nicht zu verlieren und Mut statt Angst zu machen?

In dem man einen überzeugenden Plan entwickelt, der zum Ziel hat, die Freiheit der Mobilität für alle zu erhalten.

Warum darf nachhaltige Mobilität auch Spaß machen?

Sie darf nicht, sie soll Spaß machen! Weil Mobilität ein wichtiger Teil des Lebens ist. Dazu gehören die 10.000 Schritte, die ich jeden Tag gehen will, die Fahrt auf dem E-Bike, die mich schneller in die Stadt führt als jedes andere Verkehrsmittel, die Fahrt im Zug und durchaus auch im Auto.

Welche Hemmschwellen gibt es für E-Mobilität?

Insbesondere das noch unzureichende System an Ladestationen - vor allem auf europäischer Ebene.

Wie gelingt es, gemeinsam Anreize zu schaffen, damit der private Nutzer den PKW stehen lässt?

Das Ziel ist nicht, das Auto stehen zu lassen, sondern erstens, dass es keine Treibhausgase mehr ausstößt und zweitens sein kluger Gebrauch. Kurzdistanzfahrten sollten drastisch reduziert werden. In der Schweiz sind gegen 50 Prozent der Autofahrten kürzer als 10 km, das ist der Radius eines E-Bikes. Der Trend, das Privatauto immer mehr aus den Städten zu verbannen, ist nicht aufzuhalten. Gut erreichbare P&R-Anlagen in den Agglomerationen erleichtern den „kombinierten Verkehr.“

Sind Bürger:innen und Unternehmen schon weiter sind als die Politik?

Die breite Bevölkerung ist kaum weiter, der Autoverkehr hat ja nach dem ersten Lockdown in der Corona-Pandemie stark zugenommen. Bei den Unternehmen ist in der letzten Zeit eine enorme Dynamik und ein erfreulicher Sinneswandel feststellbar. Auch wenn die Politik die Relevanz einer neuen, umweltfreundlicheren Mobilität beteuert, scheint nicht sehr viel Konsens in der Umsetzung neuer Regelungen zu bestehen.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Man zerbeißt sich an Einzelfragen, sei es 30 km/h – Beschränkungen, Subventionen für Lastenfahrräder oder Nachtzüge. Eine kohärente Gesamtpolitik fehlt.

Elektromobilität ist nach wie vor das Modell, auf das sich politisch konzentriert wird. Trotzdem steht bereits fest, dass es 2030 nicht annähernd so viele E-Autos geben wird, wie einst geplant … Was muss getan werden?

Da bin ich mir nicht so sicher. Der Trend geht jedenfalls in die gute Richtung. Entscheidend ist nun, dass sich das System der Ladestationen ebenso rasch entwickelt.

Können Sie einige innovative Maßnahmen für eine erfolgreiche Verkehrswende nennen?

Die Entwicklung klimaneutraler Treibstoffe, die Transformation des Autos zum rollenden Computer und, darauf basierend, die Entwicklung intelligenter Verkehrsteuerungs-Systeme. Primäres Ziel muss sein, die bestehenden Straßen und Schienen- Infrastrukturen besser auszulasten.

Welche Rolle können Lastenfahrräder bei der Mobilitätswende spielen?

Eine zentrale Rolle spielt das E-Bike ganz allgemein. Das Lastenrad macht durchaus Sinn, bleibt aber eine relativ unbedeutende Teilmenge. In Wien habe ich ein wunderbares Plakat von IKEA gesehen, darauf ein lachender Fahrradfahrer und der Spruch: Einkaufen mit dem Fahrrad. Das ist die Zukunft.

Warum brauchen Lastenräder eine eigene Infrastruktur?

Wenn schon, braucht das Fahrrad eine eigene Infrastruktur. Dabei ist die Schaffung genügender Abstellmöglichkeiten in den Kernstädten das größte Problem. Eine Lastenrad braucht Platz für zwei bis drei Fahrräder, da führt zu einem schlechten Kosten-/Nutzenverhältnis. Deshalb ist hier Zurückhaltung angesagt.

Wie erklären Sie sich, dass das Firmenfahrrad im Trend liegt?

Wenn dem so ist, dann brauche ich keine Erklärung, dann freue ich mich. Und die Firma kann sich gegen außen als fortschrittlich zeigen.

Was zeichnet die Verkehrskonzepte der Zukunft aus?

Eine vollständige Dekarbonisierung; eine über 24 Stunden hinweg gleichmäßig und optimal genutzte Verkehrsinfrastruktur; Städte der kurzen Wege, in denen das Privatauto kaum mehr eine Rolle spielt; eine Verkehrskultur der friedlichen Existenz zwischen den verschiedenen Verkehrsträger; Mobilitätsentscheidungen werden unter Berücksichtigung des ökologischen Fußabdrucks gefällt.

Welchen Beitrag leisten Sie persönlich, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren?

Beruflich bin ich nur zu Fuß (10.000 Schritte!), mit dem E-Bike, dem öffentlichen Verkehr und in seltenen Fällen mit dem Flugzeug unterwegs. Fliegen reduziere ich auf ein Minimum. In der Freizeit benutze ich das Auto sehr bewusst. Meine liebsten Reisen sind Fernfahrten mit dem (nicht elektrifizierten) Fahrrad. Im letzten Jahr vor Corona sind wir von zu Hause nach Skagen gefahren. Zurück mit Regionalzügen, 22-mal umgestiegen.

Weiterführende Informationen

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
Dr. Alexandra Hildebrandt

Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
Mehr anzeigen