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Roter Teppich war gestern: Zum ökologischen Umbau in der Filmbranche

„Die riesige Kultur- und Kreativwirtschaft hat die Möglichkeit, entscheidend zum ökologischen Umbau der Gesellschaft beizutragen“, schreibt der ehemalige Leiter der Berlinale, Dieter Kosslick, in seiner Autobiographie „Immer auf dem Teppich bleiben“. Schon der Titel deutet an, dass es hier nicht um Schein, Abgehoben-Sein und Glamour geht, sondern um Bodenständigkeit und etwas, das über das eigene Leben hinausreicht. So war das Aufregende für Kosslick, der von 2001 bis 2019 eines der größten Filmfestivals der Welt leitete, vor allem die Möglichkeit, sich um gesellschaftspolitisch relevante Themen zu kümmern. Dabei verweist er auf die Tradition, wie die Berlinale 1951 gegründet worden ist: „als ein Ort der Völkerverständigung und damit als politisches Filmfestival und nicht nur roter Teppich.“

Kosslick wurde 1948 in Pforzheim geboren, studierte Kommunikationswissenschaft, Pädagogik und Politik in München. Von 1979 bis 1982 war er persönlicher Referent und Büroleiter von Hamburgs Erstem Bürgermeister Hans-Ulrich Klose, danach schrieb er für die „konkret“. Nach Stationen bei den Filmförderungen in Hamburg, Brüssel und Nordrhein-Westfalen leitete er die Internationalen Filmfestspiele Berlin.

Analog zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung fand in den vergangenen Jahren auch in der Filmbranche ein Prozess zur nachhaltigen Bewusstseinsbildung statt.

Vorwiegend in den USA, in Frankreich, Großbritannien und zuletzt auch in Deutschland widmeten sich Institutionen aus der Medienbranche dem Klima- und Umweltschutz. Bereits 1989 wurde in den USA die Environmental Media Association ins Leben gerufen. Zwei Jahre später wurden erstmals die EMA Awards verliehen, die Film- und Fernsehproduktionen auszeichnen, die sich inhaltlich mit Umweltthemen befassen. 1991 wurde der weltweit erste Kriterienkatalog zum Energiesparen für die Unterhaltungsindustrie von der EMA herausgegeben („30 Simple Energy Things You Can Do To Save The Earth“). Seit 2004 verleiht die EMA das so genannte „Green Seal“, ein Gütesiegel für Produktionen, die nachhaltige Initiativen und Arbeitsweisen in ihre Arbeitspraxis einbeziehen.

Um sich dafür zu qualifizieren, muss ein klar definierter Anforderungskatalog erfüllt werden. Verpflichtend sind beispielsweise eine für die gesamte Produktion geltende Umwelterklärung, ein Maßnahmenplan für Energieeinsparung, Wassereinsparung und Abfallmanagement sowie für die Beschaffung von sozial verträglichen und umweltgerechten Materialien für die Dauer der Produktion, Recyceln aller Materialien, die von lokalen Entsorgern/Wertstoffhöfen angenommen werden, „No-idling“-Regel für alle Fahrzeuge am Set. Darüber hinaus gibt es derzeit 145 Punkte, von denen mindestens 40 erfüllt sein müssen. Neben dem EMA Green Seal gibt das Institut für Umwelt und Nachhaltigkeit der University of California, Los Angeles (UCLA) jährlich die „Southern California Environmental Report Card“ heraus, ein Umweltbericht für Süd-Kalifornien, der umweltrelevante Themen untersucht und den Umgang der Branche mit diesen bewertet.

„Green Shooting“ (auch „ökologisches Drehen“, „nachhaltiges Produzieren“, „Green Filming“) gibt es mittlerweile auch im deutschen Film und Fernsehen.

Eine der ersten umweltpolitischen Filminitiativen in Deutschland war die Firma Green Me – „Filmproduktion und Consulting Firma mit grünem Fokus“, die 2007 gegründet wurde. Im selben Jahr organisierte Green Me erstmals die „Green Me Lounge“, eine Podiumsveranstaltung, die auch auf der Berlinale stattfand. Zudem vergibt sie in Kooperation mit dem NABU Berlin den Green Me Story Award – eine Auszeichnung für Filme, die sich inhaltlich mit Themen auseinandersetzen, die Umwelt und Klima betreffen. „Wir brauchen eine zusätzliche Legitimation fürs Kino. Und da können wir bei der Produktion der Filme gleich mal anfangen, denn die ist oft mit einem gigantischen CO2-Ausstoß verbunden“, sagt Kosslick im ZEIT-Interview https://www.zeit.de/2021/07/dieter-kosslick-berlinale-film-kino-autobiografie. Nachhaltigkeit ist ein Herzens- und Lebensthema für ihn. So wurde im Co-Production-Market 2012 bei der Veranstaltung Green Productions über Ökologie in der Filmbranche gesprochen, und beim Talent Campus-Panel Greening the Film Industry diskutierten Filmschaffende darüber, wie sich die wirtschaftliche und die ökologische Seite einer Filmproduktion verbinden lässt.

„Die meisten Filmproduktionen benötigen eine große Menge Ressourcen - angefangen bei der Mobilität, um mit dem gesamten Team an verschiedene Drehorte zu kommen. Wir haben in unserem Unternehmen in den letzten Jahren allerdings bemerkt, dass hier ein Umdenken stattgefunden hat und mittlerweile auch schon einige Filme ‚grün‘ produziert worden sind. Viele Maßnahmen lassen sich aus dem Alltag übernehmen und machen in der Summe durchaus einen Unterschied: Manuskripte können auf Recyclingpapier gedruckt werden, der Kaffee zwischendurch kann Bio und Fairtrade sein und aus Mehrwegbechern getrunken werden und bestimmte Ziele lassen sich auch mit der Bahn anstatt mit dem Auto erreichen“, sagt Claudia Silber, die beim Öko-Versender memo die Unternehmenskommunikation leitet.

Die Welt steht vor einem ökologischen Umbau

„Die Kinos selbst müssten nachhaltiger gebaut und betrieben und das ungesunde Fast-Food- und Süßwarengeschäft der Kinos könnte durch ein intelligentes Food-Konzept ersetzt werden“, sagt Kosslick. Zum Umbau von Kinos gibt es bereits ein Handbuch der Filmförderungsanstalt. Auch wenn sie wegen der Corona-Pandemie schon lange geschlossen sind, ist er sicher, dass sie die Krise überstehen werden, denn die Menschen spüren jetzt vieles, was sie vorher vergessen oder verdrängt haben. Es wird ein Comeback geben – wenn auch ein verändertes, denn der Einfluss der Streamingdienste wird immer größer.

Wenn die EU bis 2050 klimaneutral werden möchte, dann müssen alle – auch die Kultur- und Kreativwirtschaft - dazu beitragen, dass der CO2-Ausstoß reduziert wird. Um grüner zu werden, halfen der Berlinale auch die 17 Ziele der SDGs. Sie wirbt nicht nur mit Programmen und Panels für Nachhaltigkeit, sondern optimiert seit Jahren ihre eigene CO2-Bilanz durch folgende Maßnahmen:

  • Verwaltung: Pressefächer und die damit verbundene Papierverschwendung wurden abgeschafft.

  • Printpublikationen wurden reduziert oder durch digitale Formate ersetzt.

  • Intern wurde ein Umweltmanagementsystem nach EMAS (Eco Management and Audit Scheme) eingeführt.

  • Seit 2011 ist der Energieversorger ENTEGA, der seinen Strom ohne Kernkraft und Co2-frei produziert, Co-Partner der Berlinale.

  • Bei Merchandising-Artikeln wird auf Nachhaltigkeit gesetzt.

  • Die Reihe Kulinarisches Kino verbindet Ökologie und Nachhaltigkeit mit Genuss und gutem Essen.

  • Wasserlieferant Viva Con Agua leitet mindestens 60% des Erlöses an Trinkwasserprojekte der Welthungerhilfe weiter.

  • Hauptpartner BMW setzt effiziente Fahrzeuge mit Hybridtechnologie ein, und der Fahrservice wird zum umweltfreundlichen Fahren geschult.

  • Anreisende Festivalbesucher werden zu ökologischem Handeln motiviert: Sie können auf der Berlinale-Homepage ihre anreisebedingten CO2-Emissionen berechnen und durch den Erwerb eines Zertifikats kompensieren. Die Deutsche Bahn bietet für 99,- Euro eine Hin- und Rückfahrt zur Berlinale an.

  • Bei der Kinodigitalisierung werden enorme Filmmaterial- und Produktionskosten gespart sowie Kosten für die Vervielfältigung von herkömmlichen Filmrollen, Filme können sehr schnell weltweit verbreitet werden, was beim Versand zu geringeren CO2-Emissionen führt.

Weiterführende Informationen:

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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