Schluss mit glücklich
Glückstee. Happinessschokolade. Feelgood-Kekse. Und natürlich 1001 Bücher darüber, wie Sie garantiert... in zwölf Schritten/zwei Wochen/zwanzig Minuten... glücklicher leben, lieben, arbeiten, Geld verdienen und sonst noch was können: In jeder Bahnhofsbuchhandlung werden wir mit Glück überschwemmt. Das macht Umsatz. Das macht Stress. Und das macht vor allem eines nicht: glücklich. Ganz im Gegenteil.
Deshalb ist es ganz gut und hilfreich, dass die französische Soziologin Eva Illouz jetzt in einem Interview des SPIEGEL (Heft 2019) dem dauerhaften Glücksgefasel in der Positiven Psychologie eine – wie man in Bayern sagen würde – Vollwatschn verpasst. Einerseits.
Andererseits ist über ein paar Punkte dann doch zu reden.
Ja, es stimmt, dass mit dem Versprechen von Glück Berater, Coaches, Teehersteller und Keksproduzenten Geschäft machen.
Die Behauptung aber, „die Glückswissenschaft stigmatisiert negative Gefühle wie Zorn, Wut oder Hoffnungslosigkeit“, die häufig konstruktive Mittel zur Veränderung seien? Blödsinn, völliger Blödsinn.
Ja, es gibt viel Happyologie, die in Fortführung des positiven Denkens alle Probleme, Widrigkeiten des Lebens wegatmen oder leichtlächeln zu können glaubt. Aber etliche PraktikerInnen und Forschende aus der Positiven Psychologie (Biswas-Diener, Adler, Wong...) haben sich mit Fragen von Leid, Misserfolg, Scheitern auseinandergesetzt. Der von Illouz hart angegangene Martin Seligman wirbt mit seinem PERMA-Konzept, der meist beforschten Theorie des Wohlbefindens, eben nicht nur für das Kultivieren von Freude, Interesse, Verbundenheit und anderen Positiven Emotionen – sondern auch für die Frage nach dem Wofür, dem Sinn, dem Zweck des eigenen Tuns. Insofern brauchen gerade die, die gegen Widerstände und unter Lebensgefahr für mehr Frauenrechte, eine Verlangsamung der Klimakatastrophe, mehr Demokratie in Hongkong oder andere höhere Ziele eintreten, auch Erfolgserlebnisse, Verbindung mit anderen Mitstreitenden, ein Wofür. Alles wie gesagt Aspekte des Wohlbefindens, wenn man es umfassend versteht.
Dass die, nennen wir sie mal so, „Glücksforschung“ gelegentlich auf kleinen Fallzahlen basiert, wissenschaftsmechanisch quietschende und längst widerlegte Axiome hochhält (etwa die Positivitätsrate) und Studienergebnisse unzulässig verallgemeinert werden (wenn etwa vom „Glücks-Gen“ oder von der „Glücks-Formel“ gefaselt wird): Geschenkt. Aber nur weil die unsinkbar geglaubte Titanic gesunken ist, wurde ja auch nicht der Schiffsbau an sich eingestellt. Und nur weil sich auch einige der renommiertesten Wirtschaftswissenschaftler Mitte der 2000er Jahre mit der Stabilität der US-Hypothekenmärkte massiv verschätzt haben, wurde ja auch nicht die Ökonomie als ganze eingestampft.
Vielleicht sollten wir tatsächlich weniger von Glück reden. Und mehr von Wohlbefinden, von nützlichen positiven Gefühlen, von stärkenden Beziehungen, von hilfreichem Know-Why. Dann verkauft der Bahnhof vielleicht weniger Tee, Kekse und Ratgeber. Aber wir alle leben, lieben und arbeiten besser!