Dr. Bernd Slaghuis

Dr. Bernd Slaghuis

für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Warum Bewerbung auch Selbstschutz ist

Bild: 123rf.com | Amelia Martin

Viele Jobwechsler verbinden mit einer Bewerbung, sich ins beste Licht zu rücken. Was sie übersehen ist die Gefahr, im falschen Job zu landen. Warum Bewerbung nicht nur Werbung, sondern auch Selbstschutz ist.

In Bewerbung steckt traditionell viel Werbung: Du musst als Jobwechsler mit deinem Elevator Pitch bereits in den ersten Minuten eines Interviews überzeugen, erfährst du in vielen Ratgebern. Verwende möglichst die Keywords aus den Stellenausschreibungen, um mit deiner Bewerbung ein maximales Matching zu simulieren, so ein anderer Tipp. Halte dich im Gespräch so lange zurück, bis du am Ende aufgefordert wirst, deine Fragen zu stellen – um noch einen drauf zu setzen.

Ich empfinde solche Tipps für Jobwechsler heute nicht nur als viel zu einseitig, sondern sogar schädlich. Denn sie führen zu einem Mindset, das dich als Bewerber schwächt: Gefallen statt positiv auffallen. Erwartungen erfüllen statt über Erwartungen sprechen. Anpassen statt zusammenpassen. Das einzige Ziel im Blick, es über die harten Recruiting-Hürden zu schaffen und als Finalist im Wettkampf um eine Stelle den Arbeitsvertrag vorgelegt zu bekommen.

Ich bin der Meinung, Bewerbung ist heute deutlich mehr als nur einseitig gegenseitige Werbung. Nämlich auch der Selbstschutz, mit deiner Unterschrift unter einem Arbeitsvertrag möglichst sicher nicht (wieder) im falschen Job zu landen.

Selbstschutz trotz Wirtschaftskrise?

„Kann ich es mir jetzt überhaupt noch leisten, einen neuen Job und Arbeitgeber auszusuchen?“ „Muss ich nicht nehmen, was mir angeboten wird?“, fragen mich viele Klienten im Coaching. Jetzt in der Krise, wo der Arbeitsmarkt doch wieder zum Arbeitgebermarkt geworden sei und sich Job Suchende glücklich schätzen können, überhaupt noch eingeladen zu werden.

Ja, die Corona-Krise hatte kaum begonnen, schon tauchten die ersten Meldungen in der Presse auf, die Bewerbern ihre vermeintlich schwächere Verhandlungsposition im Markt deutlich machten. Das Schüren von Angst sorgt in den Medien immer für eine hohe Aufmerksamkeit, doch es ist in diesem Fall und aus meiner Erfahrung das Schädlichste, was jedem einzelnen Arbeitsuchenden und auch unserem Arbeitsmarkt geschehen kann. Denn wer sich aus und mit Angst nur noch billig als Bittsteller verkauft, der macht als Mensch und potenzieller neuer Kollege nicht nur eine schwache Figur, sondern läuft vielmehr Gefahr, dass sich der auf die Schnelle neu ergatterte Job auf den zweiten Blick als böser Albtraum entpuppt.

Ist es denn wirklich so, dass sich die (Kraft-)Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und Bewerbern im Markt verändern, sobald mehr Jobsuchende auf weniger ausgeschriebene Stellen treffen? Klar, rein ökonomisch verschiebt sich die Angebots- und Nachfragekurve im Markt, doch bedeutet dies automatisch, dass jeder einzelne Bewerber auf der Stelle die Haltung als Bittsteller einnehmen und aus Angst in der Unsicherheit jeden Job annehmen muss, der ihm vor die Füße fällt? Ich bin der Meinung, dass dies ein gefährlicher Denkfehler ist und es daher – und jetzt in der Krise sogar umso mehr – bei Bewerbung auch um bewussten Selbstschutz gehen sollte.

Selbstschutz ist Klarheit für bewusste Entscheidungen

Selbstschutz bedeutet für mich, dass Bewerber in Anschreiben und Lebenslauf sowie in Gesprächen jene Klarheit schaffen, die Recruiter und eine künftige Führungskraft benötigen, um schnell, gut und möglichst sicher beurteilen zu können, was ein Kandidat Wertvolles für eine Position mitbringt und wie sie/er als Mensch persönlich tickt. Zu wissen, auf wen sie sich einlassen und was diesem potenziellen Mitarbeiter und Kollegen im Beruf und in seinem neuen Arbeitsumfeld besonders wichtig ist.

Sind dir etwa Flexibilität und Gestaltungsspielräume extrem wichtig, dann kannst du dir den Weg zum Vorstellungsgespräch sparen, wenn dort im Unternehmen noch Präsenzpflicht herrscht und Entscheidungen allein im Vorstandselfenbeinturm getroffen werden. Brauchst du mehr Abwechslung als Routine und möchtest du lieber im Team als allein arbeiten, dann wäre der Homeoffice-Job zur täglichen Pflege der Kundendatenbank der nächste Tiefpunkt in deinem Lebenslauf. Bist du mehr umtriebiger Macher als braver Mitläufer und mehr visionärer Gestalter als sicherheitsorientierter Bewahrer, dann sollte auch dies deine zukünftige Führungskraft besser so früh wie möglich wissen, bevor es später in der Probezeit zur Überraschung kommt.

Klarheit macht Bewerber greif- und unterscheidbar. Wer sich richtig greifbar macht, der macht sich zwar auch angreifbar, doch wenn es offensichtlich nicht passt, dann ist die Absage das Beste, was jedem Bewerber geschehen kann. Vielleicht wird es jetzt in der Krise nicht der absolute Traumjob sein und du wirst womöglich auch Kompromisse eingehen müssen, doch Selbstschutz als Bewerber bedeutet, genau hinzusehen und bewusste Entscheidungen auf Basis deiner persönlichen Werte und Ziele im Beruf zu treffen - und vielleicht sogar ein Angebot abzulehnen.

Selbstschutz als Erinnerung an deine Haltung als Bewerber

Möchtest du so schnell wie möglich irgendwie nur irgendeinen Job ergattern oder ist es dir wichtig, eine möglichst gut passende Stelle zu finden?

Möchtest du dich anbiedern und blind beim erstbesten Jobangebot zugreifen oder möchtest auch du prüfen, ob eine Position und ein Arbeitgeber für die nächsten Jahre gut zu dir passen?

Treibt dich die tägliche Panik vor zu langer Arbeitslosigkeit und Lücke im Lebenslauf oder gehst du neugierig auf Entdeckungsreise, welche Möglichkeiten sich im Arbeitsmarkt für dich eröffnen?

Hast du Angst, als Bewerber/in zu viel über dich preis zu geben und aussortiert zu werden oder sollte dein Arbeitgeber besser genau wissen, was dir wichtig ist und worauf er sich einlässt?

Sind Jobwechsel und Bewerbung für dich ein harter Kampf oder eine Chance für Entwicklung und Neues?

Auf welcher Seite dieser Fragen stehst du gerade? 

Kannst du es dir im wahrsten Sinne des Wortes erlauben, einem Arbeitgeber gegenüber neugierig und ehrlich zu begegnen und gezielt solche Stellen zu entdecken, die gut zu dir passen? Kannst du es dir jetzt in der Krise erlauben, nach dem Schmerz über den Verlust eines Jobs auch wieder etwas Positives als Chance für Neues abzugewinnen?

Ich habe mich gefragt: Kann ich es mir als Coach erlauben, dich in dieser schwierigen Situation ausgerechnet für Selbstschutz in der Rolle als Bewerber/in zu sensibilisieren? – Die Antwort liest du gerade. Denn ich weiß, wie entscheidend wichtig eine gute Haltung als Bewerber im Gespräch mit Arbeitgebern ist. Wer stellt schon gerne tiefstapelnde Bittsteller ein – erst recht in der Krise.

Was ist deine Meinung? Welche Rolle spielt Selbstschutz für dich in einer Bewerbungsphase? Und was glaubst Du, wie sich die Position von Bewerbern jetzt in der Corona-Krise verändert? Ich bin gesapnnt auf deine Meinung zum Thema unten in den Kommentaren. 

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Wer schreibt hier?

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Karriere- und Business-Coach, Dr. Bernd Slaghuis

für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Karriere ist heute mehr als nur "höher, schneller, weiter". Seit 2011 habe ich über 1.800 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf begleitet. Von der Neuorientierung und Bewerbung bis zum Onboarding. Meine Erfahrungen teile ich hier als XING Insider, auf meinem Blog und als SPIEGEL-Kolumnist.
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