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Warum schon seit Monaten eine neue Ära der Mitarbeiterbindung begonnen hat

Ich höre seit Längerem immer wieder die Aussage von Führungskräften, sie holen all ihre Mitarbeiter wieder aus dem Homeoffice. Denn sie wüssten überhaupt nicht, was die Damen und Herren im virtuellen Büro machen und hätten auch keine Chance, sie ans Unternehmen zu binden. Es sei zwar sehr verwunderlich, dass das Business mit dieser neuen Arbeitsweise sehr gut geklappt habe – sogar erschreckend gut –, doch jetzt wolle man verhindern, dass die guten Leute einfach gehen.

Was hier dargestellt wird, nehme ich als Welle oder sogar als „Ära“ war, denn Mitarbeiterbindung wird schon seit längerer Zeit völlig neu gelebt. Wie läuft das in deinem Unternehmen?

Im Büro ist nicht alles besser

Nach Monaten der Heimarbeit macht sich in vielen Betrieben Ermüdung breit – und das Büro erscheint mit einem Mal wieder wie der bessere Arbeitsort. Zu Unrecht, sagt Bernd Kramer in der „Süddeutschen“. Na klar, viele Leute haben die Schnauze voll, allein im Homeoffice zu sitzen und einen zwölfstündigen Zoom-Marathon hinzulegen. Doch um ehrlich zu sein, das war ja auch nie die Idee von Homeoffice. Was in den vergangenen Monaten in vielen Unternehmen geschehen ist, war schlichtweg Folgendes:

Die im Büro übliche Arbeitsweise wurde einfach ins Homeoffice verlegt, ohne eine Anpassung an die digitale Struktur vorzunehmen. Zwölf-Stunden-Meetings sind auch im Büro völlig überflüssig und ineffizient, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.

Im Augenblick ist die Gefahr groß, dass das Experiment, zu dem Corona unzählige Betriebe zwang, vorschnell für gescheitert erklärt wird: Funktioniert vielleicht eine Weile, funktioniert vielleicht sogar besser als gedacht – aber bitte nicht auf Dauer.

Doch entscheidend sollte doch sein, was deine Mitarbeiter wollen. Ich persönlich halte nichts davon, Mitarbeiter wie Grundschüler zu behandeln. „Diese Woche kommst du zum Standort – nächste Woche bleibst du im Homeoffice etc.“ Wenn du als Führungskraft eigenständig denkende und motivierte Mitarbeiter möchtest, dann überlässt du die Entscheidung, wann, wo und wie viel gearbeitet wird, deinen Mitarbeitern. Wenn jemand drei Tage im Office sein will – sehr gut. Wenn ein anderer Mitarbeiter lieber einen Tag im Office sein möchte, ist es auch gut. Doch höre an dieser Stelle einfach auf, die Machtkeule zu schwingen – überlass deinen Kollegen selbst, wie sie arbeiten wollen – das ist echte Mitarbeiterbindung. Diese Wahlfreiheit bekommen sie nicht – es kann so einfach sein.

Überlass deinen Kollegen selbst, wie sie arbeiten wollen – das ist echte Mitarbeiterbindung.

Das Homeoffice macht sichtbar, was im Argen liegt

Im Homeoffice gehe der Teamspirit verloren, heißt es oft. Wenn dem so wäre, würde keinerlei Unternehmensberatung funktionieren. Denn da sind die Berater und Beraterinnen selten im Office. Teamspirit kannst du als Führungskraft aktiv befeuern, wenn die Leute hybrid arbeiten. Für dich als Leader bedeutet das einen ganz anderen Aufwand, den du betreiben musst. Führung funktioniert dann nicht mehr als Nebenjob. Es ist dann ein Fulltime-Job, was dir und deinem Unternehmen klar sein muss. Somit bin ich davon überzeugt, dass nicht das Homeoffice das Problem ist, sondern die Art, wie Führung bisher gelebt wurde. Des Weiteren resultiert eine positive Mitarbeiterbindung größtenteils aus positiver Führung – standortunabhängig.

Im Homeoffice leide die Kreativität, stimmt das?

Dass nur in einem Konferenzraum unter physischer Anwesenheit die herausragenden Ideen geboren werden, ist ohnehin ein gut widerlegtes Gerücht. Studien zeigen, dass Brainstorming im Team nicht funktioniert, und die Ergebnisse eher dürftiger und schlechter ausfallen, als wenn jeder und jede zunächst ungestört für sich überlegt – weshalb sich zu Hause unter Umständen womöglich sogar mehr Kreativität entfesseln lässt. Das Büro schafft Illusionen, die oft nicht stimmen. Die Illusion, dass Ideen sprühen, weil eine Gruppe einfach mal wild überlegt, obwohl die meisten Ideen dabei unausgesprochen vergessen werden. Die Illusion, dass Menschen fleißig arbeiten, nur weil sie anwesend sind. Die Illusion, dass Menschen sich zugehörig fühlen, bloß weil sie im selben Gebäude sitzen.

Mit dem Homeoffice ist es wie mit so vielem in dieser langen Pandemie: Es ist wie ein Kontrastmittel, das sichtbar macht, was ohnehin schon im Argen liegt.

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Flexibles Arbeiten ist Arbeitnehmern wichtiger als das Gehalt

Lange Zeit war das Gehalt das wichtigste Kriterium für Arbeitnehmer, nun wurde es vom flexiblen Arbeiten abgelöst: 59 Prozent der Arbeitnehmer ist Flexibilität und Autonomie im eigenen Arbeitstag wichtiger als die monetäre Vergütung. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie des Audio- und Videospezialisten Jabra: Für den „Jabra Hybrid Ways of Working 2021 Global Report“ wurden in fünf Ländern insgesamt 5000 Wissensarbeiter befragt.

Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) sind sogar der Meinung, dass ein klassisches Büro zukünftig eher eine zusätzliche Option für die Mitarbeiter sein wird und nicht mehr der Standard-Arbeitsplatz.

Somit hat sich die Einstellung zur flexiblen Arbeit und dem Büro deutlich verändert. Das hat vor allem auch Konsequenzen für Arbeitgeber und Führungskräfte. Wer seinen Mitarbeitern einfach sagt, alle sollten zurück ins Office – „Par Ordre du Mufti“ –, hat die Chance verpasst, neue Arbeitsmodelle zu etablieren und somit die Mitarbeiterbindung daraus zu stärken, das muss dir als Führungskraft klar sein. Die Macht, ob ein Mitarbeiter für dich oder für eine andere Person oder ein anderes Unternehmen arbeitet, liegt nicht bei dir.

Herausforderungen meistern

Um ein dauerhaft erfolgreiches Modell für hybride Arbeit zu implementieren, müssen Unternehmen von ihren bisher möglicherweise starren Rahmenbedingungen und Vorgaben abweichen. Natürlich braucht auch das neue Arbeitsmodell klare Richtlinien und Prinzipien, doch gleichzeitig muss hier auch eine menschliche Komponente einfließen: mehr Autonomie für Mitarbeiter in einem Umfeld, das ihnen maximales Vertrauen schenkt.

Als Unternehmen kannst du folgende 5 Tipps berücksichtigen, um die Mitarbeiterbindung massiv zu stärken

  1. Statt Mitarbeiter zur Rückkehr ins Büro zu zwingen, sollten sie stattdessen besser mit der richtigen Technologie ausgestattet werden, sodass sie von überall aus arbeiten können.

  2. 75 Prozent der Wissensarbeiter wollen zukünftig von überall arbeiten und erachten diese Flexibilität wichtiger als das Gehalt. Das gilt es zu respektieren und zu ermöglichen.

  3. Führungskräfte sollten genau überdenken, für welche Aufgaben und Gründe Mitarbeiter ins Büro kommen müssen.

  4. Investitionen in Kollaborationstechnologie können für Unternehmen einen Wettbewerbsvorsprung vor den Mitbewerbern bedeuten.

  5. Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, wie hybrides Arbeiten funktioniert. Gleichzeitig müssen sie ihren Teams zeigen, dass sie nicht benachteiligt werden – egal, wo und wie sie arbeiten.

Fazit: Nicht Büro oder Homeoffice ist die Frage – sondern wie du deine Mitarbeiter in Zukunft führen willst!

Frank Rechsteiner schreibt über Transformation, Recruiting, Mindsets

Frank Rechsteiner ist Inhaber der Hype Group, die auf Executive - Recruiting und Strategieberatung für IT-Unternehmen spezialisiert ist. Als Recruiting Experte, Blogger, YouTuber und Autor gebe ich regelmäßig Recruiting Impulse. Alle weiteren Infos finden Sie unter - https://frankrechsteiner.de/

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