Was uns blüht, wenn wir das Insektensterben nicht stoppen
Die Natur hat keine starke Lobby. Sie kann nur verstummen. Auch wenn Insekten leise sterben, so ist dies eine ökologische Katastrophe. Leider ist das mediale Interesse am Insektenschutz nur wenig ausgeprägt, was möglicherweise daran liegt, dass das Thema häufig unter dem Begriff „Biodiversitätsverlust“ kalt „abgehandelt“ wird. Umso wichtiger ist es, das Thema in seiner Komplexität und Dringlichkeit verständlich zu machen. Gelingt es uns nicht, das Insektensterben zu stoppen, hat das dramatische Konsequenzen für uns alle. Insekten sind Blütenbestäuber, Nahrungsquelle für Tiere, sie zersetzen totes Material, erhöhen die Bodenfruchtbarkeit und reinigen unsere Gewässer. Über 80 % unserer Nutzpflanzen und über 90 % der heimischen Pflanzen werden von Bienen bestäubt. 2017 wurde Insektenschutz zum ersten Mal im Bundestag thematisiert, denn die industrielle Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten die vielfältige, kleinstrukturierte, durch Weiden, Hecken und Wiesen geprägte Kulturlandschaft verdrängt. Auch sterile, großflächige Agrarwüsten bieten Insekten keinen Lebensraum und kein Futter mehr. Auch viele Privatgärten gleichen heute kargen Steinwüsten. Zudem vermindert die Überdüngung die Vielfalt auf den Äckern, denn viele insektenfreundliche Wildblumen wachsen vor allem auf nährstoffarmen Böden.
Dieser Thematik widmet sich auch die Diplom-Biologin Bärbel Oftring in ihrem Ratgeber „Worauf fliegst Du?“ Sie geht auf notwendige Gartenstrukturen wie Hecken oder Kompost ein, stellt aber auch Gartentiere und ihre jeweilige Lieblingspflanze vor und gibt wichtige Tipps. Insektenvernichtungsmittel sind beispielsweise ein No-Go im Garten, ebenso Herbizide oder andere Gifte. Beim Kauf von Saatgut sollte darauf geachtet werden, dass es nicht mit Neonicotinoiden und anderen Giften gebeizt wurde. Wer insektenfreundliche Blumen und Pflanzen säet, trägt wesentlich zum Insektenschutz bei. So hat der Küchenmöbelhersteller Häcker am Stammsitz in Rödinghausen nicht nur eine artenreiche Blühwiese auf über 25.000 Quadratmetern angelegt, sondern auch auf dem Gelände des neuen Produktionswerkes in Venne entstand jetzt ein weiteres Dorado für Insekten. Am 17. Juni 2021 wurde die Aussaat durch einen Garten- und Landschaftsgärtner vorgenommen. „Wir haben hier in Venne 15.000 Quadratmeter Rasen in eine Wildblumenwiese verwandelt. Darüber hinaus haben wir noch zusätzliche Bäume gepflanzt und einige Ansitzstangen für Greif-vögel aufgestellt. Etwas für die Natur und die Menschen hier vor Ort in Venne zu tun, ist mir ein großes Anliegen“, sagt Jochen Finkemeier, geschäftsführender Gesellschafter von Häcker Küchen. Die Wiese wird zudem professionell gepflegt, damit der hohe Nutzwert für Insekten erhalten bleibt.
Bereits 2019 hat das Unternehmen zusammen mit dem Verein Blumiger Landkreis Osnabrück sowie Vertretern aus Politik und Kultur bereits rund 6.000 Quadratmeter Blumenwiesen für den Insektenschutz in Venne angelegt. Darüber hinaus entstand am Werk durch einen großen Aushubhügel eine neue Heimat für seltene Uferschwalben. Die Aktion auf dem neuen Werksgelände ist ein Teil von vielen weiteren Maßnahmen, die ins strategische Nachhaltigkeitsmanagement des Unternehmens eingebettet sind. Einzelmaßnahmen machen zwar noch kein Ganzes, aber der konzentrierte Blick darauf ist unabdingbar, weil sie Nachhaltigkeit im Kleinen begreifbar machen. Wer das Kleine nicht sieht, ist blind für das Große.
Tipps unter www.nabu.de (Stichwort: Nützlinge)
Daten und Fakten rund um Insekten: www.boell.de/de/insektenatlas
Stichhaltig: Darum können wir ohne Insekten nicht leben
Bärbel Oftring: Worauf fliegst du? Tierparadiese pflanzen und pflegen. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2021.
Lars Breder: Retten statt reden. Was Unternehmen tun, die aus Tradition verantwortungsvoll sind. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.