Dr. Alexandra Hildebrandt

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for Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Wie kann eine pflanzliche Neugestaltung unseres Lebens gelingen?

© Dr. Alexandra Hildebrandt

Interview mit dem Landschaftsarchitekten Tim Kaysers

Tim Kaysers, Jahrgang 1973, ist Landschaftsarchitekt und Naturmensch. Das Thema Nachhaltigkeit liegt ihm besonders am Herzen und steht deshalb im Zentrum seines Schaffens. Sein Wissen um ökologische Zusammenhänge bringt er beruflich sowie in Arbeitsgruppen, Verbänden und Naturschutzorganisationen ein. Aufgewachsen im Schwarzwald, eiste er nach seinem Abitur in verschiedene Teile der Welt. Nach dem Studium der Landschaftsarchitektur in London und Berlin, sammelte er berufliche Erfahrungen in Ecuador und China. Neben der Entwicklung nachhaltiger Ideen und der Reduzierung seines ökologischen Fußabdrucks ist die Pflanzen- und Naturfotografie seine Leidenschaft. Seit 2007 lebt er mit seiner Familie am Bodensee und arbeitet als Landschaftsarchitekt in Überlingen. Neben der Entwicklung nachhaltiger Ideen und die Reduzierung seines ökologischen Fußabdrucks ist die Pflanzen- und Naturfotografie seine Leidenschaft. Seit 2007lebt er mit meiner Familie am Bodensee und arbeitet als Landschaftsarchitekt in der Planstatt Senner GmbH in Überlingen. In seinem aktuellen Buch „Phyto for Future – Mit Pflanzen aus der Klimakrise“ erklärt er aus dem Blickwinkel eines Landschaftsarchitekten, wie Pflanzen leben, wie sie positiv auf uns wirken, was wir von ihnen lernen und wie wir sie mehr in unser Leben integrieren können.

Herr Kaysers, was ist die Aufgabe von Landschaftsartchitekt:innen?

Sie vermitteln zwischen der Natur und dem Menschen. Sie gestalten den menschlichen Außen-Lebensraum und versuchen den Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten. Dabei planen und gestalten sie den gesamten Freiraum vom Garten über den urbanen Raum bis hin zur Gartenschau oder einem Landschaftspark. Die Gestaltung sollte ökologisch, sozial für alle Altersgruppen und wirtschaftlich sein. Aktuell geht es vor allem darum, unseren Außenraum dem veränderten Klima anzupassen und die positiven Wirkungen der Natur zu bewahren und in den Vordergrund zu rücken.

Wie und wo engagieren Sie sich persönlich zu dem Thema?

Angefangen habe ich mit der Umgestaltung unseres Familiengartens in einen pflegearmen Naturgarten und der Begrünung unserer Hausfassade und dem Anlegen eines Gründachs. Seit ein paar Jahren arbeite ich ehrenamtlich in der örtlichen NABU-Gruppe und helfe bei der Pflege und Gestaltung eines Insekten-Naturgartens. Über meinen Instagram-Account phytoforfuture versuche ich das Interesse und die Lust zu wecken, sich mit Pflanzen zu beschäftigen. Jede Pflanze hat viele Besonderheiten, welche uns Menschen zugutekommt. Beruflich engagiere ich mich in der Architektenkammer, bei der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen und natürlich bei meiner Arbeit in dem Landschaftsarchitekturbüro Planstatt Senner GmbH in Überlingen.

Welche Auswege gibt es aus der Klimakrise?

An erster Stelle steht der Umstieg zu mehr Genügsamkeit und einem nachhaltigen Lebensstil. Ein völlig neues, anderes Leben ist notwendig. Viele sprechen von einer Reduzierung unseres Lebensstils. Dies ist aber negativ behaftet. Eigentlich ist es eher eine Bereicherung zu einem bewussteren Leben. Es ist eine Konzentration auf das Wesentliche im Leben. Dabei können Pflanzen tolle Inspirationen liefern. Sie haben es in Ihrer Evolution geschafft, in einer großen Vielfalt überall auf dem Planeten zu leben ohne ihn zu zerstören. Gleichzeitig braucht es natürlich auch Verbesserungen in der Effizienz und vor allem eine Anpassung an die bereits voran geschrittene Klimakrise. Das Thema Ausweg aus der Klimakrise sollte an erster Stelle stehen, denn wenn das Klima kippt, dann kann es nicht mehr wie eine Krankheit kontrolliert oder wie ein Krieg diplomatisch gelöst werden, dann sind wir den Naturgewalten hilflos ausgeliefert. Dies gilt es im Vorfeld zu vermeiden und daher sollten sich unsere ganzen Anstrengungen diesem Thema zu widmen.

Was beinhaltet die Charta für nachhaltige Landschaftsarchitektur?

Die Charta zeigt auf, welche ökologischen, ökonomischen und sozialen Kriterien bei der Gestaltung unseres Außenraums wichtig sind. So wird beispielsweise auf die Bewahrung vorhandener Bäume und vielfältige Pflanzungen hingewiesen, auf einen schonenden Umgang mit dem Regenwasser, auf die Verwendung regionaler Materialien, auf pflegeleichte Außenanlagen, auf eine hohe Aufenthaltsqualität und auf die Beteiligung der Bürger. Dies sind im Prinzip offensichtliche Kriterien, die jedoch nach wie vor nicht immer berücksichtigt werden. Daher kann nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht werden. Ein steter Tropfen höhlt den Stein, ein langsames Umdenken findet statt.

Inwiefern haben Goethe und Alexander von Humboldt Ihr Weltbild beeinflusst?

Goethe fasziniert mich insofern, da er auch Naturwissenschaftler und nicht nur Dichter war und viele interessante Beobachtungen der Natur beschrieben hat. Allein durch das detaillierte Hinschauen und Studieren einer Pflanze lässt sich sehr viel lernen und ableiten. Dieses genaue Hinschauen, versuche ich bei mir selbst ebenfalls zu kultivieren. Und Humboldt ist eigentlich einer der ersten, der den Naturschutzgedanken in der westlichen Welt verbreitet hat. Seine Erkenntnis dazu, hat er in Ecuador entwickelt, einem wunderschönen Land, in dem ich auch schon gelebt habe und die Familie meiner Frau wohnt. Dort gibt es noch Urwälder und Urlandschaften, die einen demütig werden lassen. Die Beobachtungen von Humboldt haben mich in meinen Gedanken über die Natur bestätigt und mir geholfen, mein Buch Phyto for Future zu schreiben.

Weshalb sollte Architektur immer im Zusammenhang mit der Landschaft betrachtet werden?

Jedes Gebäude ist ein starker Eingriff in die Natur. Daher sollte der Eingriff so naturverträglich wie möglich sein. Jede negative Beeinträchtigung sollte wieder ausgeglichen und im Idealfall verbessert werden. Ein Gebäude, welches durch Holzbau CO2 speichert, welches ein intensives Gründach hat, keinen Boden versiegelt, in dem es auf Stelzen steht und Energie für sein Umfeld erzeugt, kann einen positiven Abdruck in der Landschaft hinterlassen. Wenn wir so bauen, machen wir es wie die Pflanzen, wir werden Teil der Landschaft und beeinflussen sie positiv.

Weshalb brauchen wir Ihrer Meinung nach einen Klima-Landschaftsplan – und was beinhaltet er? Wie kann eine pflanzliche Neugestaltung unseres Lebens gelingen?

Auch die Gestaltung unseres Lebensraumes ist wie ein Gebäude in der Landschaft. Er sollte so naturverträglich wie möglich gestaltet sein. Unser Konsum hat ebenfalls Auswirkungen auf die Landschaft, im Prinzip hat alles Auswirkungen auf die Landschaft, auf die Erde. Für jede Entwicklung sollte es daher einen Landschaftsplan geben, der dann auch beachtet und tatsächlich umgesetzt wird. Da das dringlichste Thema die Klimakrise und deren Auswirkungen ist, sollte der Landschaftsplan den Fokus auf das Klima haben, dies gilt es bei allen Überlegungen zuintegrieren. Die Neugestaltung unseres Lebens kann wie die Pflanzen jede Sekunde, jeden Tag stetig wachsen. Jede noch so kleine Handlung hat Auswirkungen mit denen etwas Positives bewirkt werden kann. So wie ein Blatt, welches noch so klein ist, jedoch die Umwelt positiv beeinflusst. Die kleinen Handlungen können dann zu größeren Handlungen werden und wenn wir alle etwas beitragen, dann sind dies Milliarden positiver Handlungen. Es ist die Menge der Menschen, welche den Unterschied macht und jeder ist Teil davon. Mit diesen kleinen, täglichen Handlungen kann jeder:e anfangen. Da 80 Prozent der irdischen Biomasse aus Pflanzen besteht, haben wir damit ein riesiges Potenzial an Verwendungen und Inspirationen. Pflanzen sind klimaneutral und wirken positiv auf die Umwelt. Wenn wir darauf aufbauen, können wir unser Leben nachhaltig umgestalten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Weiterführende Informationen

About the author

Dr. Alexandra Hildebrandt
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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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