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Erfolgsfaktor Familienbewusstsein: Digitale Kinderbetreuung als Lösungsbaustein in der Neuen Normalität

KidsCircle.io, das Startup für digitale Kinderbetreuung feiert sein einjähriges Jubiläum. Grund für uns, mit den GründerInnen Sabine Wildemann und Felix Kosel über die Höhen und Tiefen des ersten Jahres zu sprechen.

Vor gut einem Jahr haben wir zum ersten Mal die Tür unseres KidsCircle-Hauses geöffnet und Kinder im Alter von 4 bis 11 Jahren in die digitale Betreuung eingeladen. Unsere Grundidee war, ein vielfältiges Betreuungsangebot für Kinder im digitalen Raum zu schaffen, das inspiriert, viel Spaß bringt und dazu Mütter und Väter entlastet. Als reines Elternangebot gestartet, sind wir mittlerweile stark im B2B-Segment vertreten und bieten die digitale Kinderbetreuung als Mitarbeiter-Benefit und als innovatives Feature für Online-Event-VeranstalterInnen an.

In unserer Rückschau auf dieses Jahr freut uns ganz besonders, dass es uns gelungen ist, über den digitalen Kanal Vertrauen aufzubauen und den Kindern viel Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Für uns war eines der großen Fragezeichen, ob das möglich sein wird. Wir leisten hier als Pionier einer ganz neuen Form der Kinderbetreuung einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag und bekommen das von glücklichen Eltern und Unternehmen immer wieder gespiegelt. Als One-Woman-Show gestartet, sind wir mittlerweile zu fünft im Team und arbeiten alle remote. Eine besondere Herausforderung in diesem Jahr war sicher, sämtliche Strukturen und Prozesse ohne gemeinsames Office aufzubauen. Man kann sagen, wir sind tatsächlich komplett digital aufgestellt.

Wir sind mit der Entwicklung unseres Unternehmens sehr zufrieden. Was uns geholfen hat, ist die stetige Reflektion und den Fokus zu behalten. Hier war unser Advisor, Myke Näf, ein toller Ratgeber, dem wir an dieser Stelle gern mal ein öffentliches “Ganz lieben Dank!” sagen möchten. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, so weit wie möglich dem Lean-Ansatz zu folgen und eine hohe Flexibilität aufrecht zu erhalten. Das funktioniert bisher sehr gut. Im Bereich “Produkt” haben wir mit dem KidsCircle-Haus und zusätzlichen Marketing-Elementen wie Sammelbilder und Content-Kooperationen ein schönes Angebot für die Kids entwickelt und umgesetzt. Einige Kinder haben sogar schon ihre eigene KidsCircle-Box, in dieser sie alles sammeln, was sie in den Betreuungen kreieren.

Beim Recruiting der Betreuungspersonen, unseren Kids-Coaches, haben wir einen umfangreichen Bewerbungsprozess aufgesetzt, der ein Höchstmaß an Qualität sicherstellt. Hier sind wir besonders froh, dass wir innerhalb dieser kurzen Zeit solch ein tolles Team an Coaches aufbauen konnten. Außerdem konnten wir aufgrund unserer Kundenzentrierung eine starke Kundenbindung, sowohl bei den Eltern als auch den Unternehmen, aufbauen. Dass wir Menschen Fehler machen, ist Teil unseres Daseins und somit ist die Akzeptanz dessen Teil unserer Unternehmenskultur. Das beantwortet vielleicht auch deine zweite Frage: Wir würden nichts anders machen.

Ja, genau, unser Fokus liegt seit Oktober 2020 auf dem B2B-Segment. Wir haben im September an einem Startup Accelerator teilgenommen, uns im Zuge dessen intensiv mit dem B2B-Segment auseinandergesetzt und unser Geschäftsmodell neu durchdacht. Auf Basis einer Validierung mit 40 HR-Verantwortlichen aus Unternehmen verschiedener Größenklassen konnten wir eine hervorragende Grundlage erarbeiten, um unser Angebot als einen innovativen Lösungsbaustein für die Problemstellungen “Fachkräfte finden” und “Fachkräfte binden” zu positionieren. Als wir dann in den aktiven Sales eingestiegen sind, haben wir schnell gemerkt, dass wir mit dem Angebot absolut den Zeitgeist treffen. Allein im Januar und Februar haben uns über 200 Unternehmensanfragen erreicht. Wir waren quasi nur noch am Telefon und in Video-Calls.

Im Segment der Mitarbeiter-Benefits durften wir viele Kunden aus der Pharmazeutischen Industrie begrüßen, u.a. Sanofi Aventis oder UCB Deutschland. Auch der Cornelsen-Verlag und Gruner + Jahr haben unser Angebot mittlerweile als festen Bestandteil in das Benefit-Programm aufgenommen. Im zweiten Segment, den Online-Events, freuen wir uns ganz besonders, den diesjährigen Deutschen Röntgenkongress als Partner begleiten zu dürfen. Die TeilnehmerInnen können an 50 Online-Veranstaltungen unsere passgenaue Kinderbetreuung hinzubuchen, um konzentriert an ihren Terminen teilnehmen zu können. Und dass Ver.di als Gewerkschaft seit März mit unserem Angebot direkt die Eltern unterstützt, ist für uns eine kleine Ehre. Denn uns ist es sehr wichtig, dass unsere Betreuungsangebote trotz Fokus auf B2B, weiterhin direkt für die Eltern verfügbar bleiben.

Definitiv hilft die Positionierung als familienfreundliches Unternehmen dabei, Fachkräfte mit bestimmten Kompetenzen zu finden, bzw. zu binden. Wenn wir die demografische Entwicklung betrachten und die Transformation hin zu einer Wissens- und Innovationsgesellschaft, dann wird klar, dass der Fachkräftemangel weiter zur Tagesordnung gehören wird. Daher sind Unternehmen heutzutage eigentlich gezwungen, eine Employability-Strategie aufzusetzen, die neben Kompetenzen und Qualifikationen, Motivation und Identifikation, auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten im Blick hat. Wenn ich als Mutter weiß, dass meinem (potenziellen) Arbeitgeber das Wohlbefinden meiner Familie wichtig ist, dann trägt das enorm zu meinem Wohlbefinden bei, ich bin motivierter, leiste mehr und identifiziere mich stärker mit dem Unternehmen.

Interessant ist bei dieser Frage sicher auch das (nicht ausgeschöpfte) enorme Potential der mehrheitlich in Teilzeit arbeitenden Mütter (72,6% mit einem Kind unter 6 Jahren; im Gegensatz zu 6,9% der Väter). Wenn es hier mehr Unterstützungsangebote der Unternehmen gäbe, die tatsächlich die Familie im Blick haben, würde dies auch wiederum zur Chancengleichheit beitragen. Eigentlich ist es doch traurig, dass man sich überhaupt als “familienbewusst” positionieren muss. Da wünschen wir uns mehr Selbstverständlichkeit, denn ohne Nachwuchs hätten wir keine Gesellschaft mehr und demzufolge erst recht keine Unternehmen.

Wir sind da noch weit entfernt, leider. Wir beobachten jedoch ein deutlich größeres Bewusstsein für diese Thematik als noch vor einem Jahr. Wenn noch nicht geschehen, mussten Unternehmer und deren Personalverantwortliche im letzten Jahr zwangsläufig ihren Blick auf dieses Thema richten. Das ist eine Entwicklung in die richtige Richtung. Einen wichtigen Beitrag leisten hier auch Unternehmen wie SAP oder Sanofi Aventis, die als Vorbilder vorangehen und sichtbar machen, welche Instrumente und Maßnahmen möglich sind und wie stark diese zu einer höheren Identifikation und Wohlbefinden der Mitarbeitenden führen.

Die Pandemie war für unser digitales Betreuungsangebot zwar Innovationsauslöser, jedoch haben wir im Rahmen unserer Validierung und den unzähligen Gesprächen mit Personalverantwortlichen, Gleichstellungsbeauftragten und BetriebsrätInnen erfahren, dass sie diese neue Form der Betreuung als einen zukunftsträchtigen Lösungsbaustein in der Begleitung ihrer Mitarbeitenden betrachten. Wir unterstützen die Eltern bis zu zwei Stunden täglich im häuslichen Bereich – und in dieser Zeit können sie entweder konzentrierte Arbeitseinheiten erledigen oder Termine wahrnehmen. Das bringt neben der Motivationssteigerung auch enorme Kostenvorteile für die Unternehmen. Und: Wir leben mittlerweile in einer „neuen Normalität“, die u.a. stark von zeit- und ortsflexiblerem Arbeiten und auch Sinnstiftung geprägt ist. Diese Entwicklung spiegelt sich in unserem Angebot wider: hohe Flexibilität und Verfügbarkeit, weltweit nutzbar, kein Leistungsansatz und sinnvolle Angebote für die Kinder.

Wenn wir den Bereich der Online-Events betrachten, dann ist dort – getrieben durch die Digitalisierung – ein riesiger Markt entstanden, in dem sich die Anbieter auch in einer Phase der Innovation und des Testens befinden, Stichwort “Hybride Events und Kongresse”. Hier stellt unsere passgenaue Kinderbetreuung ein Feature dar, das VeranstalterInnen einsetzen, um mehr TeilnehmerInnen zu gewinnen und sich von der Konkurrenz abzusetzen.

Wir versuchen hier mal ein paar Aspekte zu skizzieren, die uns richtig bzw. wichtig erscheinen.

Politik:

  • Aktuell liegt eine Petition von #proparents, Brigitte und Eltern im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, der wir uns gern anschließen. In dieser geht es darum, das Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“ in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aufzunehmen bzw. eine Ergänzung des AGG auf den Weg zu bringen. Solch eine gesetzliche Verankerung ist wichtig, weil dadurch eine breitere Akzeptanz sowie ein Selbstverständnis hergestellt und zugleich auch eine Grundlage für mögliche Sanktionen geschaffen wird.

  • Es müssen vom Bund zusätzliche Ausbildungsinitiativen und auch eine Verbesserung der Aus-/Weiterbildung sowie der Arbeitsbedingungen in der frühkindlichen Bildung als auch in der Grundschule geschaffen werden. Für die Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab dem Jahr 2025 müssen nach Berechnung des Deutschen Jugendinstituts insgesamt ca. 665.000 neu einzurichtende Plätze bezogen auf Gesamtdeutschland geschaffen werden. Insgesamt decken die Anstrengungen aus der “Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher” bei Weitem nicht den Bedarf ab, der in den nächsten Jahren an Fachkräften benötigt wird. Laut der prognos-Studie fehlen 191.000 pädagogische Fachkräfte. Da sind die 2.500 zusätzlichen Ausbildungsplätze, die im Rahmen der Fachkräfteoffensive im Jahr 2019/2020 gefördert wurden, einfach noch viel zu wenig.

  • Dann ist da noch die Thematik der Bezahlung von Menschen, die im Care-Bereich tätig sind. Wenn man sich überlegt, dass der Gesetzgeber über die Jugendämter selbstständig tätigen Tagespflegepersonen, also Menschen, die von ihrem Honorar noch die Krankenversicherung und Steuern selbst bezahlen müssen, nur 12,84 € pro Stunde bezahlt (35 Std/Woche, bei 3 zu pflegenden Kindern + 3 Std Bürotätigkeit), dann ist es nicht verwunderlich, dass sich erstens wenige Menschen dafür entscheiden und zweitens der Staat seine Vorbildfunktion verspielt.

Unternehmen:

  • Das letzte Jahr hat zwar die Thematik “Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben” aus der Not heraus stärker auf’s Tableau gebracht, aber da muss noch viel passieren. Vielleicht wäre eine Idee, dass Unternehmen eine Art “Elternbudget” einrichteten, auf das sich Eltern verlassen können. Es braucht eine Art Grundbekenntnis zu Eltern und Kindern und somit zu unserer Gesellschaft. Es gibt so tolle Instrumente wie z.B. die Ausbildung von sogenannten “Eltern-Guides” von elvisory oder Angebote wie das von 2PAARSchultern und dem Vereinbarkeits_Lab, die Inhouse-Fachkräfte ausbilden, um die Basis für eine nachhaltige Vereinbarkeitskultur direkt in den Unternehmen zu schaffen.

Wir haben eine Menge vor in diesem Jahr, u.a. schließen wir im April unsere erste Finanzierungsrunde mit vier großartigen Business Angels aus der Schweiz und Deutschland ab, dazu bauen wir die KidsCircle-Akademie auf, in der wir Betreuungspersonen zu digitalen Kids-Coaches weiterbilden und wir haben zwei zentrale Produkterweiterungen in der Planung. Um es mit Bob, dem Baumeister zu sagen: „Yo, wir schaffen das.“

Service-Info:

Mehr Infos gibt's unter https://www.kidscircle.io/

Wie Sabine Wildemann und Felix Kosel das Thema digitale Kinderbetreuung angegangen sind, haben sie uns in diesem Interview erzählt >>

NWX – New Work News schreibt über Alles zur Zukunft der Arbeit

Alles zur Zukunft der Arbeit: Auf dieser News-Seite finden alle New Work-Interessierten multimedialen Content rund um das Thema. Neben Experten-Interviews, Debatten, Studien, Tipps und Best Practices, erwarten die Leser auch Video- und Podcastformate. Und natürlich ein Überblick unserer gesamten New Work Events, die mehrmals im Jahr im gesamten deutschsprachigen Raum stattfinden. Weitere spannende Inhalte zum Thema New Work finden Sie auf: nwx.new-work.se

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