Schräge Karrieren: Der Humorist Lutz Backes
Lutz Backes wurde 1938 in Mannheim geboren und wuchs in Ladenburg auf. Der Karikaturist, Schnellzeichner, Schriftsteller und Bildhauer lebt seit 1957 in Nürnberg.
Herr Backes, Sie waren Weltrekordler im Schnellzeichnen. Können Sie Ihr Leben im Schnelldurchlauf beschreiben?
Mein erster Vorname ist Ernst. (Wie konnten meine Eltern mich so taufen, einen Humoristen!) Den Ernst lasse ich daher meistens weg. Es ist so schon alles ernst genug. Als Kind war ich Bluter. Kaum durch Schlangengift geheilt, kam ich unter einen Lastwagen - außer einem bleibenden Eindruck habe ich aber keine weiteren Schäden davongetragen. Schon mit 17 Jahren arbeitete ich nebenberuflich als Reporter bei einer Tageszeitung, wo ich für die Karikatur entdeckt wurde. Bald darauf ging die Zeitung ein. Dann lernte ich Industriekaufmann, studierte Schauspiel und Chanson am Konservatorium in Nürnberg, war Dramaturg, Autor und Chargenspieler am „Neuen Theater“ in Nürnberg, das bald darauf einging. Dann wurde ich Pfandleiher, wurde überfallen, zeichnete die Gangster aus dem Kopf, die daraufhin gefasst wurden. Bald darauf ging die Pfandleihe Pleite. Kurzfristig heiratete ich eine Juristin, war dann Auktionator für drei Leihhäuser, bis deren Chefin bei einem Raubüberfall erschlagen wurde. Zuvor, 1964, wurde ich von Dieter Hildebrandt für die „Lach- und Schießgesellschaft“ entdeckt, wo ich zwölf Jahre Hauskarikaturist der “klassischen“ Mannschaft war, bis diese sich auflöste.
1967 entwarf ich das LOGO der Sportartikelfirma PUMA, die springende Raubkatze, die zur berühmtesten Tierzeichnung der Welt wurde, danach wurde ich Redakteur für Politik und Humor an einer Provinzzeitung. Es folgte die Entlassung wegen einer missliebigen Karikatur (das Blatt existiert noch). 1976 machte ich mein Hobby, das Karikaturen-Zeichnen, zum Hauptberuf und nahm den Künstlernamen „BUBEC“ an (Backes Unbestechlicher Blick Entlarvt Charaktere) an. Ich heiratete eine Polizistin – aber auch das stellte sich nicht als nicht ganz ungefährlich heraus. Ich veröffentlichte Porträt- und Polit-Karikaturen in über 40 Ländern, verlegte mich dann allerdings immer mehr auf Porträt-Karikaturen, als das HANDELSBLATT mich für 25 Jahre exklusiv hierfür unter Vertrag nahm („Bubec’s Zerr-spektive“).
Ich veröffentlichte ein Dutzend Bücher mit Karikaturen, für drei davon habe ich auch den Text geschrieben. Ich verfasste acht Theaterstücke und viele Kabarett-Texte, spreche fünf Sprachen (defekt), verstehe aber wegen zunehmender Schwerhörigkeit kaum noch was. Ich hasse Spinat, liebe meine dritte Frau Elfriede, meine Jugendliebe (die mich managt), schwärme für Theater und klassische Musik und sehne mich, seit ich Rentner bin, nach dem Ruhestand ...
Weshalb haben Sie sich den Künstlernamen Bubec zugelegt? Hätte Ihr Name international nicht funktioniert? Arbeiten Sie heute noch mit diesem Namen?
"Der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe." Am 20. November starb der spanische Diktator Francisco Franco. Ich zeichnete daraufhin für die FRANKENPOST in Hof, bei der ich damals als Redakteur und Karikaturist angestellt war, mit Genehmigung des Chefredakteurs, wie Franco in der Hölle landet. Stalin als Teufel schürt das Feuer unter einem Kessel, in dem Mussolini und Hitler sitzen. Franco steht davor und sagt: "Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bund wieder der Dritte." Am nächsten Morgen gegen halb acht rief meine damalige Frau an (inzwischen ist sie lange tot) an, die bei der Polizei war und Frühdienst hatte. Sie sagte, dass ich heute zu Hause bleiben könnte. Ich erwiderte, ich hätte Dienst und ginge gleich in die Redaktion. „Na, dann fahr!“, meinte sie. Als ich zum Verlagshaus kam, war Absperrung durch die Polizei. Der Hauptmeister Meier Zwo (er hieß tatsächlich intern so), sagte: "Ach, Herr Backes Sie sind's, Sie können rein." Im Haus begegnete ich zuerst dem Chefredakteur, der weiß wie eine Wand wurde: "Hauen Sie ab, was tun Sie denn hier?" Ich: "Was ist los? Ich habe Dienst." "Heute nicht. Was ich wegen Ihrer Franco-Karikatur für eine Ärger habe!" Ich: "Wieso wegen meiner Karikatur? Sie sagen doch immer: „Was machen /wir/ für eine Karikatur.“ Sie haben sie doch genehmigt." Er: "Ihre Frau hat heute Früh einen Anruf entgegengenommen: Wir haben eine Bombendrohung." Ich: "Das ist doch wunderbar! Endlich mal eine Reaktion auf eine Karikatur! Das ist das höchste Lob!" Der Chef war platt. Das Ende vom Lied: Ich flog raus.
Und dann?
Kein Hund wollte mehr ein Stück Brot von mir. Ich ging stempeln. Ein Chefredakteur, für den ich vor meinem Festengagement gearbeitet hatte, wollte mich wiederhaben und riet mir, einen anderen Namen zu nehmen und meinen Stil zu ändern. Ich nahm den Mädchennamen meiner Polizistin an: BUBECK, strich das K, änderte den Zeichenstil, bewarb mich bei zwei Dutzend Zeitungen gleichzeitig und war nach 14 Tagen bei 15 Zeitungen untergekommen. Meine New Yorker Cartoon-Agentur ROTHCO nahm mich auch mit dem neuen Namen - und die Weltkarriere begann. Und sogar in Deutschland lief es plötzlich hervorragend. "Bubec" hielt man für einen Polen oder Jugoslawen. Bei diesem Namen blieb ich, bis unsere glorreichen Bundestagsabgeordneten auf die Idee kamen, die Künstler- und Ordensnamen aus dem Pass entfernen zu lassen. Ich machte meinen Verband, den Bayerischen Journalisten-Verband (BJV), darauf aufmerksam und legte klar, was diese Volksvertreter damit anrichten. Der Verband ging mit der katholischen Kirche gegen das neue Gesetz vor. Nach zwei Jahren wurde das Gesetz wieder getilgt. Mein Pseudonym war aber in dem neuen Ausweis nicht mehr vermerkt. Heute ist es wieder, aber da inzwischen Gras über die Sache gewachsen ist und die Falange verschwunden ist, und ich inzwischen auf die "seriöse" Kunst und Theaterarbeit umgestiegen bin, ist es nicht mehr nötig, den Bubec zu verwenden.
Haben Sie einmal darüber nachgedacht, Ihre Autobiographie zu schreiben - oder genügt es Ihnen allein Ihre Kunst sprechen zu lassen?
Ich wurde öfter dazu aufgefordert. Nachdem ich im rororo-Taschenbuch "Lacher, Löcher, Lampenfieber" ein paar autobiographische Dinge geschrieben hatte, wenig in der Ich-Form, kamen die Beschwerden von denen, die drin waren und von denen, die nicht drin waren. Da habe ich beschlossen: Ich lasse es. Wenn ich dabei ehrlich sein soll, gibt es nicht nur Ärger, sondern auch Unglaube, denn ich habe ein paar Dinge erlebt, die glaubt mir keiner. Da lasse ich es lieber.
Haben Sie auch Aufträge abgelehnt, und wenn ja, warum?
Ja, zum Beispiel Politcartoons, wenn sie mir zu meiner demokratischen Gesinnung nicht passten, wenn sie zu dumm waren. Wenn das angebotene Honorar eine Frechheit war, oder es war zweifelhaft, ob ich je für meine Arbeit den Lohn sehe.
Seit wann und warum erscheinen viele Bücher von Ihnen als Antonia Edition?
Ich hatte früher mal einen eigenen, kleinen Verlag, in dem ich Humorbücher von Kollegen und Freunden herausbrachte, weil deren Verleger unter Hinterlassung sämtlicher Verbindlichkeiten ins Ausland abgehauen war. Da hatte ich drei freie Mitarbeiter, die für'n Daffke mitmachten. Als der Verlag nach drei Jahren Gewinn abwarf, was er nicht sollte, habe ich ihn eingestellt. Ich habe dann Bücher bei anderen Verlagen herausgebracht, u. a. drei bei Rowohlt. Als dieser meinen dortigen Lektor mobbte, machte er seinen eigenen Verlag wieder auf, den er früher hatte, und ich machte mit ihm "Die Morde des Giuseppe Verdi". Dann bekam er einen Herzinfarkt und machte den Verlag wieder zu. Er gab mir meine Rechte und sagte: "Mach es selber." So entstand aus dem Bauch heraus die "Anonia Edition" - nach dem zweiten Vornamen meiner Frau. Es ist kein „richtiger“ Verlag, aber ich verdiene mit den Büchern mehr, als wenn ich Tantiemen bekäme (außer bei rororo).
Welche Rolle spielen die sozialen Medien für Sie?
Von Social Media habe ich keine Ahnung, weil ich meine immer kürzer werdende Zeit für meine Arbeiten nutze und mich deshalb nicht mit diesen Techniken befassen kann. Als ich mal Kaufmann lernte, waren Lochkarten gerade modern geworden. Die sind heute im Museum.
Weiterführende Informationen:
Alexandra Hildebrandt: Meister der Gestaltung: Lutz Backes
Alexandra Hildebrandt: Warum Humor die Würze des Lebens ist. Interview mit Lutz Backes
Alexandra Hildebrandt: Komische Zeiten: Warum Humor hilft, wenn es schwer wird