Noch ein Anbieter auf dem Straßenstrich der Mode mit Valium für die Kunden!

Straßenstrich der Mode

Primark schwächelt: Wollen die Primark-Kunden wirklich ökologisch kaufen – oder tun sie nur so? Oder weht in Deutschland mittlerweile ein anderer, grünerer Wind im Modehandel?

Noch ein Anbieter auf dem Straßenstrich der Mode

Primark schwächelt auf dem deutschen Markt. Umsätze generieren die Iren hierzulande nur noch über Neueröffnungen. Der Mutterkonzern Associated British Foods hat bereits Anfang des Jahres Filialverkleinerungen angekündigt, um die Flächen-Performance zu steigern. Ob das etwas hilft? Oder weht in Deutschland mittlerweile ein anderer, grünerer Wind im Modehandel? Wollen die Primark-Kunden wirklich ökologisch kaufen – oder tun sie nur so? Es wirkt ein wenig so, wie in den 90-er Jahren mit ALDI und der BILD Zeitung: Angeblich hat kein Mensch bei ALDI gekauft oder die BILD Zeitung gelesen. Merkwürdig nur, dass beide von einer Umsatz- bzw. Auflagen-Ekstase zur nächsten flogen.

Valium für die Kunden
Valium für die Kunden

Nachhaltigkeit, ein Lifestyle?

Primark, der Aldi der Textilbranche, produziert Billig-Mode zum Wegwerfen. T-Shirts halten oft nicht länger als drei Tage und kosten 2,50 Euro. Inklusive Mehrwertsteuer! Dass hier irgendjemand in der Wertschöpfungskette krepiert, liegt auf der Hand. Nachhaltigkeit sieht anders aus. Ist Primark also ein Opfer des Nachhaltigkeitsumschwungs in Deutschland?

Immerhin: Das Thema Nachhaltigkeit boomt in Deutschland. Umweltbewusstsein und ein nachhaltiger Lebensstil sind salonfähig geworden – über alle Gesellschaftsschichten hinweg. Das haben auch die Unternehmen erkannt und bieten nachhaltige Produkte in nachhaltigen Verpackungen an, wie den Pappstrohalm, die Papiertüte, die Holzzahnbürste und: Kleidung. Man könnte fragen: Valium für das Gewissen? Die Bundesregierung hat kürzlich das nachhaltige Textilsiegel „Der grüne Knopf“ eingeführt, der sozial und ökologisch nachhaltig hergestellte Textilien kennzeichnet – wohl wieder ein Rohrkrepierer mit Ansage!

Billig-Mode ist uncool

H&M, Otto, Tchibo, Adidas…fast jedes Modeunternehmen bietet mittlerweile auch vermeintlich nachhaltige Kleidung an. Dass sie das nicht aus intrinsischem Antrieb heraus tun, ist klar. Die Produkte sind auch nicht ökologisch sinnvoll. Es wird komplett opportunistisch angeboten, was nachgefragt wird. Das ist der Straßenstrich der Mode!

Straßenstrich der Mode - Die Moral ist im Arsch!
Straßenstrich der Mode - Die Moral ist im Arsch!

Der Kunde bestimmt die Richtung. Und politischer Druck. Viele der genannten Unternehmen beschäftigten sich mit nachhaltiger Herstellung erst nach dem Einsturz von Rana Plaza in Bangladesch im April 2013. Primark ist das neue Rauchen. Billig-Mode ist bei Verbrauchern uncool geworden. So geben in der Studie „Sustainable Fashion“ von GfK 72 Prozent der Befragten an, dass ihnen Umwelt- und Sozialverträglichkeit von Bekleidung sehr wichtig sei.

Black Fridays for Future?

Aber ist die Kundschaft von Primark (Teenager und Anfang-Zwanzigjährige) tatsächlich umweltbewusster geworden? Nein, behauptet die Studie „Fair Fashion: Wie grün sind Deutschlands Kleiderschränke“ der Marktforschungsplattform Appinio. Bei der Frage, „Worauf achtest Du beim Kauf von Kleidung besonders?“ gaben die befragten Millenials zuerst das Aussehen und dann den Preis an. Nachhaltigkeit landete bei insgesamt neun Kategorien auf: Platz neun. Das klingt eher nach Black Friday denn nach Fridays for Future.

„Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“, soll Winston Churchill gesagt haben. Auch hier gilt es, die genannten Studien mit einem kritischen Auge zu betrachten. Umweltbewusstsein ist bei jungen Deutschen definitiv ein wichtiges Thema. Bei Primarks schwacher Deutschland-Performance kommen auch noch andere Faktoren hinzu, wie der gesättigte Markt. Dennoch scheint Umweltbewusstsein ein Kundenthema zu sein, das die Iren nicht unbeachtet lassen: Wer einen Primark-Store betritt, findet riesige Plakate mit der Aufschrift „We care“. Ob das hilft, wird sich zeigen.

Was denken Sie?

Ist Primark das neue Rauchen, Leidtragender eines neuen Bewusstseins der jungen Verbraucher? Oder hat der Laden einfach den Zenit überschritten, ist die Goldgräberstimmung abgeflaut? Spielt der gesättigte Markt eine Rolle? Und vielleicht sogar die Brexit-Strapazen in Irland? Ich freue mich auf Ihre Anregungen, Einwürfe und Gedanken.

Ulvi I. AYDIN schreibt über Konsumgüter & Handel, Marketing & Werbung, Wirtschaft & Management, Politik & Gesellschaft

Ulvi Aydin, Preisträger des Interim Management Projekts 2018, wird von Kunden "People Mover" genannt. Er ist ein erfahrener, ergebnisorientierter und international agierender CEO und CSO. Als Unternehmensentwickler und Interim Manager unterstützt er mittelständische Unternehmen und Konzerne

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