Dr. Bernd Slaghuis

Dr. Bernd Slaghuis

für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Ausgejammert! 10 Dinge, für die du als Bewerber keine Energie verschwenden solltest

Bild: gratisography.com

Eine Bewerbung ist für viele Jobwechsler mehr Qual als Vergnügen. Im Coaching erfahre ich, was sie im Bewerbungsprozess erleben. Hier sind die 10 größten Aufreger von Bewerbern im Kontakt mit Arbeitgebern.

Naturgemäß sitzen mir im Coaching meist hoch frustrierte Bewerber gegenüber. Weil sie im Bewerbungsprozess erlebt haben, was sie sprach- und fassungslos macht. Weil sie schon 100 Bewerbungen verschickt und null Gespräche geführt haben. Oder weil sie es bis in die Gespräche schaffen, jedoch nie bis zum Arbeitsvertrag. Sie alle wundern sich – und sie schimpfen. Weniger über sich selbst, vielmehr über die - ich zitiere - „dummen Arbeitgeber“, ihre „unorganisierten Abläufe“ und „unfähigen Personaler“. Lauter Frust und unbändige Wut machen sich häufig bei mir im Büro breit. Hier sind die zehn größten „Aufreger“, die Jobwechsler auf die Palme bringen und meine Tipps, wie ihr als Bewerber besser damit umgehen könnt.

10 Dinge, die Jobwechsler in Bewerbungsprozessen nerven

1. Stellenausschreibungen mit Worthülsen-Bla-Bla

Du sollst belastbar, durchsetzungsstark, teamfähig und kommunikationsstark sein. Du musst irgendein Studium mit Erfolg abgeschlossen und idealerweise erste Erfahrungen in einer Branche gesammelt haben, die jedoch in der Anzeige des Personalvermittlers nicht verraten wird. Der Job-Titel als Head of Irgendwas klingt geil, aber die Beschreibung der Aufgaben liest sich wie die öde Arbeitsanweisung aus den 80ern – Hauptsache, du beherrschst Windows und Word. Ach ja, und du sprichst  selbstverständlich fließend Englisch – für einen Job, der sich ganz offensichtlich ausschließlich im deutschsprachigen Raum abspielt. Kein Scherz, alles Beispiele aus der Praxis.

Stellenausschreibungen wimmeln heute nur so von nichtssagenden Worthülsen. Die Aufgaben und Anforderungen sind so allgemein beschrieben, dass mich viele Bewerber fragen, wen das Unternehmen wohl tatsächlich sucht. Entweder wissen es solche Arbeitgeber selbst nicht oder der Erfolg im Recruiting wird an der Anzahl der eingehenden Bewerbungen je nichtssagender Stellenausschreibung gemessen. Im schlimmsten Fall eine Kombination aus beidem.

Mein Tipp für euch als Bewerber: Hört auf, Stellenanzeigen und die Floskeln darin zu stark zu interpretieren. Ihr wisst nicht, was „belastbar“ in diesem Job bedeutet und ihr könnt auch nicht wissen, welche „Kommunikationsstärke“ euch konkret ausmachen soll. Kannst du gut mit Kunden telefonieren, bist du gut in der Erstellung von Präsentationen oder kannst du gute Texte verfassen? Dies alles ist Kommunikation, daher ist es sinnlos, sich aufgrund dieser leeren Worte im Vorfeld den Kopf zu zerbrechen.

Apropos Stellenanzeigen lesen ... Bist du ein Gefahrensucher oder ein Chancenfinder?

2. Die Stelle wird immer wieder neu ausgeschrieben

Ein Phänomen, das viele Bewerber extrem verunsichert. Stellen, die über Monate immer wieder aufs Neue ausgeschrieben werden, jedoch Bewerber zwischenzeitlich Absagen mit der Information erhalten haben, dass die Stelle mit einem besser zum Profil passenden Kandidaten besetzt worden ist. „Sollte ich mich einfach nochmal darauf bewerben?“, fragen mich viele Klienten, wenn ihr letzter Versuch schon einige Monate zurück liegt.

Die Ursachen für diese Beobachtung können verschiedener Natur sein. Vielleicht ist die Stelle tatsächlich neu besetzt worden, doch in der Probezeit haben sich beide Seiten wieder getrennt. Vielleicht ist die Ausschreibung auch nur im Netz, um als Marke und Arbeitgeber sichtbar zu sein – also ohne offene Stelle dahinter. Ja, auch sowas gibt’s und ich finde es unfair gegenüber Job Suchenden. Womöglich ist es auch eine Position, die im Unternehmen immer wieder einmal zu besetzen ist und daher ständig nach Kandidaten am Markt gesucht wird. Als Bewerber könnt ihr es nicht wissen und es ist Zeitverschwendung, sich hierüber den Kopf zu zerbrechen – geschweige denn sich aufzuregen.

Ist die Stelle wirklich interessant für dich, dann frage im Unternehmen nach. Schildere deine Beobachtung, was die immer wieder neue Ausschreibung und vielleicht auch deine frühere Bewerbung betrifft und frage nach, ob es sinnvoll ist, dass du dich (erneut) auf die Position bewirbst.

3. Siezen und Duzen nach Lust und Laune

Ein zunehmender Teil der Stellenausschreibungen spricht Kandidaten heute per Du an. Arbeitgeber wollen damit modern daherkommen, scheinen jedoch nicht zu ahnen, wie viele Bewerber sie damit auch heute noch verunsichern. Der 45-jährige Manager fühlt sich eben nicht angesprochen von „Bewirb dich jetzt und join our team“ und selbst die jungen Generationen Berufseinsteiger tun sich im offiziellen Bewerbungsprozess schwer damit, locker-flockig auf Augenhöhe mit einem Du-Anschreiben zu reagieren. Ich erlebe viele Bewerber im Coaching, die sogar passende Jobs zur Seite legen und sich lieber nicht bewerben, weil sie das „Du“ in der Ausschreibung nicht anspricht. Meine Gedanken, wie ihr mit einer Du-Stellenanzeige umgehen solltet, habe ich vor einiger Zeit in diesem Blogbeitrag beschrieben.

4. Keine Reaktion nach Eingang der Bewerbung

Dies ist der Fakt, der Bewerber verständlicherweise zu Beginn des Bewerbungsprozesses am meisten auf die Palme bringt. Es kommt noch die automatische Eingangsbestätigung in der Sekunde nach dem Upload der Unterlagen – und dann ist für Wochen und manchmal sogar Monate Funkstille. Neulich sagte mir ein Klient mit viel Bewerbungserfahrung: „Ich habe eines in den letzten Monaten gelernt: Wenn innerhalb von 14 Tagen keine Einladung zum Gespräch kommt, dann wird das nichts mehr.“ Ich halte nicht viel von derart pauschalen Regeln, doch womöglich ist an seiner Erfahrung etwas dran.

Ich frage mich, was in Zeiten von digitalem Bewerber-Management-System Arbeitgeber daran hindert, Klarheit über den Stand des Bewerbungsprozesses sowie den weiteren zeitlichen Ablauf zu schaffen. Von vielen Jobwechslern höre ich, dass sie nicht einmal eine Absage erhalten – oder mitunter auch erst ein halbes Jahr später, wenn sie schon wieder im neuen Job sind. Ein Verhalten, das wenig wertschätzend ist, schließlich stecken Bewerber viel Energie in eine Bewerbung und interessieren sich für ein Unternehmen als Arbeitgeber.

Mein Tipp: Gebt Arbeitgebern 3 bis 4 Wochen Zeit, um Unterlagen zu sammeln und zu sichten. Hörst du nichts und hast du noch ein starkes Interesse an diesem Job, dann frage nach, wie der Stand im Auswahlprozess ist. Viele Bewerber berichten mir, dass sie postwendend die Absage erhalten. Vermutlich, weil sie den Personaler daran erinnert haben, dass diese Bewerbung noch unbeantwortet war. Doch auch hier gilt aus meiner Sicht: Besser Klarheit schaffen als Unsicherheit genervt ertragen.

5. Junge Recruiter/innen mit wenig Berufserfahrung

Dies ist ein Aufreger insbesondere für sehr berufserfahrene Bewerber im gesetzten Alter. „Das Mädel / der Jungspunt hat doch gar keine Ahnung von dem Job und wie es da draußen wirklich zugeht und soll jetzt über meine berufliche Zukunft entscheiden!?“ Glaubt mir, an dieser Stelle wird es auch mal lauter bei mir im Büro. Insbesondere dann, wenn ich erfahrene Vertriebstypen und echte Macher vor mir sitzen habe, die sich gegenüber 22-jährigen Recruiter/innen frisch aus dem Bachelor-Studium fehl am Platz aufgehoben fühlen.

Ja, ich kann das verstehen und bin auch der Meinung, dass das Durchschnittsalter der Mitarbeiter/innen im Recruiting in vielen HR-Abteilungen zu jung ist. Recruiting erfordert mehr als systematisches Abgleichen von Anforderungen mit Lebensläufen und Aufsagen auswendig gelernter Standardfragen im Gespräch – dazu komme ich ja gleich noch. Erfahrungswissen aus Berufserfahrung, Empathie, Menschenkenntnis sowie vor allem Lebenserfahrung halte ich für absolut notwendig, um als guter Recruiter mit Bewerbern aller Altersklassen auf Augenhöhe zu sein.

Was könnt ihr als Bewerber tun? An der Tatsache an sich wie in fast allen Fällen in diesem Beitrag erst einmal nichts. Daher lohnt es sich auch hier nicht, darüber zu schimpfen, sondern ihr solltet die Konsequenzen für euer zukünftiges Verhalten im Gespräch mit Recruitern klären. Ich finde es wichtig, auch jüngeren Recruiter/innen eine echte Chance zu geben, doch solltest du im Gespräch das Gefühl haben, dein Gegenüber nicht ernst nehmen zu können, dann solltest du einen Plan hierfür in der Tasche haben. Du kannst es offen ansprechen und darum bitten, dass ein erfahrener Mitarbeiter am Gespräch teilnimmt – oder du kannst dich dafür entscheiden, nichts hierzu zu sagen und die Situation anzunehmen. Ja, beide Varianten sind in der Rolle als Bewerber nicht der Traum, doch sich im Anschluss darüber aufzuregen, ist keine Lösung.

6. Persönlichkeitstests vor dem ersten Gespräch

Du hast es geschafft und erhältst eine Einladung zum ersten Vorstellungsgespräch. In der Mail der Link zu einem Persönlichkeitstest, den du bitte vor dem Gespräch absolvieren magst. Ein Aufreger für viele Bewerber, weil es Neuland für sie ist und sie verunsichert, was ein Arbeitgeber über das Testergebnis schwarz auf weiß ausgespuckt bekommt, noch bevor sie sich zum ersten Mal zu Gesicht bekommen haben. Nicht, dass ans Licht kommt, welche psychologischen Leichen auch du im Keller liegen hast und wie du wirklich tickst. Viele Bewerber fragen mich im Coaching, ob sie den Test ehrlich beantworten oder bei jeder Frage überlegen sollten, welche Erwartung eines Arbeitgebers sich wohl dahinter verbirgt.

Wenn du mich schon länger auf dem Schirm hast, dann weißt du vermutlich, dass ich kein Fan von Persönlichkeitstests bin. Die Ergebnisse kommen immer aus der Black-Box und sie verleiten dazu, Menschen vorschnell in Schubladen zu stecken. Mal sind es Farben (ich bin wohl eine blau-rote Mischung), mal die Kombination aus Buchstaben, oft ein Diagramm mit Ausprägungen verschiedener Eigenschaften. In diesem Blogbeitrag habe ich mal verschiedene Tests ausprobiert – mit reichlich widersprüchlichen Ergebnissen.

So unsinnig ich und vielleicht auch ihr Persönlichkeitstests zu diesem frühen Zeitpunkt im Bewerbungsprozess empfindet – auch dieses „Spiel“ werdet ihr mitspielen müssen, um den im Unternehmen definierten Recruiting Prozess ordnungsgemäß zu durchlaufen. Regt euch nicht darüber auf – was vielleicht sogar Einfluss auf das Ergebnis hat, sondern nutzt diesen Schritt, um eurem potenziellen neuen Arbeitgeber wirkliche Einblicke in eure Persönlichkeit und Stärken zu geben. Beantwortet die Fragen ehrlich ohne falsches Spiel. Nicht nur, dass ihr euch im Gespräch später passend hierzu geben müsst, gute Tests sind zudem so gestrickt, dass inkonsistentes Verhalten auffliegt. Erhältst du das Testergebnis nicht zugeschickt, dann darfst du im Gespräch hiernach fragen und ihr solltet die Ausprägungen auch gemeinsam besprechen.

7. Standardfragen im Bewerbungsgespräch

„Warum sollten wir uns denn ausgerechnet für Sie entscheiden?“ – „Was sind Ihre drei größten Schwächen?“ und „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“. Es ist für mich immer wieder erstaunlich zu hören, dass in vielen Bewerbungsgesprächen immer noch plump solche Standardfragen abgefeuert werden. Ich frage mich, ob die Liste der Fragen von Generation zu Generation Recruiter vererbt wird (das haben wir immer schon so gemacht) oder ob Personaler der Meinung sind, über die auswendig gelernten und perfekt wie aus der Pistole geschossenen Antworten auf solche Standardfragen wirklich etwas über den Menschen ihnen gegenüber zu erfahren. Ein Klient hat einmal auf die Frage „Warum sollten wir uns für Sie entscheiden“ mit „Wissen Sie, besser entscheiden Sie sich nicht für mich“ geantwortet und hat das Gespräch beendet. Es war diese Frage, die das Fass der Merkwürdigkeiten bei diesem Arbeitgeber zum Überlaufen gebracht hat.

Ich verstehe, dass insbesondere Konzerne Standards bei Prozessen lieben – und womöglich zur Gerechtigkeit und Gleichbehandlung in ihrem Recruiting Prozess auch benötigen. Doch es macht einen Unterschied, ob Personaler platt Fragen stellen, weil sie im Prozess exakt so definiert sind, auf einer Liste stehen und die Antworten protokolliert später in die Personalakte wandern, oder ob sie diese Fragen stellen und sich wirklich für den Menschen gegenüber interessieren. Denn natürlich ist es wichtig, etwas über die Stärken und Entwicklungsfelder, die echte Wechselmotivation und beruflichen Ziele eines Menschen in der Rolle als Bewerber zu erfahren.

Mein Rat: Stempelt solche Standardfragen nicht vorschnell genervt als fiese Fangfragen ab, sondern akzeptiert, dass der Personaler vor euch seinen Job macht. Entweder uninspiriert und nicht wissend, anders mehr über Bewerber zu erfahren oder aber genauso als Teil eines Prozesses, an dessen exakter Einhaltung sie oder er gemessen wird. Und falls die Dichte der Standardfragen im Gespräch für deinen Geschmack zu hoch ist und so gar keine gute Gesprächsatmosphäre aufkommen will, dann steht es dir auch hier frei, zu entscheiden, das Frage-Antwort-Spiel über dich ergehen zu lassen und auf die nächste Runde zu hoffen, oder aber du thematisierst es im Gespräch und versuchst, von deiner Seite für mehr echten Dialog zu sorgen. Oder du beendest das Gespräch, wenn dir wirklich klar ist, dass dies niemals dein neuer Arbeitgeber werden wird.

8. Rätselraten bei der Gehaltsvorstellung

„Bewerben Sie sich unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung“ – so lautet die Vorgabe in vielen Stellenausschreibungen. Und auch später im Gespräch ist es oft der Kandidat, der zuerst mit einem Wert herausrücken soll. Dabei ist jede Stelle in einem Unternehmen budgetiert und die Verhandlungsmasse begrenzt. Man kann darüber streiten, welche Seite wem etwas im Bewerbungsprozess zu verkaufen hat und wer hierfür zuerst das Preisschild in die Höhe halten muss. Doch für viele Bewerber und insbesondere solche, die mit dem Schritt erstmals in eine Führungsposition oder als Quereinsteiger in eine andere Branche wechseln, ist das Gefühl für das Gehaltsniveau mehr Stochern im Nebel als klare Vorstellung. Wäre es nicht zielführender – auch im Sinne einer effizienten Vorselektion, wenn Arbeitgeber mit der Stellenausschreibung eine Ziel-Gehaltsspanne angeben und so dieses Rätselraten beenden?

Auch hier könnt ihr euch als Bewerber darüber aufregen und schlaflose Nächte damit verbringen, auf den Euro genau euren Marktwert zu ermitteln, doch auch dies ist zu diesem frühen Zeitpunkt im Bewerbungsprozess Energieverschwendung. Solange Arbeitgeber von Kandidaten erwarten, dass sie zuerst mit ihrem Wunschgehalt rausrücken, können ihr maximal einen Wert nennen, der für euch in dieser Position und Branche angemessen und realistisch erscheint. Deine Bewerbung ist noch keine Gehaltsverhandlung – auch wenn du natürlich hiermit eine Marke setzt. Gleichzeitig hat deine Gehaltsangabe auch etwas mit Selbstschutz zu tun: Stellst du dir 70 Tsd. Euro für eine für dich interessant klingende Position vor, ist diese jedoch intern mit 40 Tsd. Euro budgetiert, dann vermittelt nicht nur die Ausschreibung ein schräges Bild, sondern dies wird ganz sicher auch nicht dein neuer Job sein. Wer dich aufgrund dessen knallhart aussortiert, der macht einen guten Job.

9. Befristung als verlängerte Probezeit

Viele Arbeitgeber befristen Verträge neuer Mitarbeiter auf zwei Jahre. Ich spreche hier nicht von befristeten Elternzeitvertretungen oder Projekten mit befristeter Dauer oder Finanzierung. Die Befristung (ohne Grund) auf zwei Jahre dient Arbeitgebern vor allem als Hintertürchen zur Verlängerung der 6-monatigen Probezeit. Ich persönlich kann dieses Vorgehen bei gleichzeitigem Jammern über einen Fachkräftemangel nicht nachvollziehen. Zudem sollte jeder Arbeitgeber nicht nur aus Kostengründen ein hohes Interesse daran haben, gute Mitarbeiter zu binden. Ob Mitarbeiter einen guten Job machen und ob dies auch der richtige Arbeitgeber für die nächsten Jahre ist, das lässt sich beiderseitig eindeutig innerhalb von 6 Monaten erkennen.

Doch auch hier gilt: An dieser meist unternehmenseinheitlichen Befristungspolitik wirst du als Bewerber/in nicht rütteln können. Kläre, was der genaue Hintergrund der Befristung ist. Geht es (lediglich) darum, dass sich ein Arbeitgeber zwei Jahre überlegen möchte, ob du einen guten Job machst („Das ist hier bei neuen Verträgen hier immer so“) und in diesem Fall der Vertrag mit hoher Wahrscheinlichkeit später entfristet wird, dann betrachte es eher als formalen Akt statt als hohes Risiko. Ich empfehle an dieser Stelle immer die folgende Frage an deine zukünftige Führungskraft im Vorstellungsgespräch: „Woran werden Sie in 6 Monaten konkret festmachen, dass ich hier einen guten Job mache?“ Stimmen die Erwartungshaltungen von euch beiden überein und traust du dir selbst zu, dort einen guten Job zu machen, dann ist dies eine gute Basis.

Mehr Fragen für’s Vorstellungsgespräch gibt's hier: „Bewerber, Ihre Fragen bitte?“

Sicherlich kann eine Befristung auf zwei Jahre in der aktuellen Zeit zunehmender Arbeitsmarktunsicherheit dazu führen, dass du als erstes von Kündigungen betroffen bist, indem dein Vertrag nach zwei Jahren nicht verlängert wird. Doch auch ohne die Befristung wäre eine betriebsbedingte Kündigung jederzeit möglich und trifft nun einmal häufiger jene, die zuletzt in ein Unternehmen gekommen sind. Es ist müßig, zum Zeitpunkt der Bewerbung in Horror-Szenarien zu denken, dass du bei einem befristeten Vertrag nach zwei Jahren ganz sicher wieder im nächsten Bewerbungsprozess steckst. Schaffe Klarheit über alles, was dir Sicherheit für diese Jobentscheidung gibt und entscheide am Ende auch, wie hoch die Aussichten auf einen direkt unbefristeten Vertrag bei einem anderen Arbeitgeber sind.

10. Kein Feedback nach einer Absage

Zum Schluss ist dies immer wieder ein Aufreger vor allem für jene Bewerber/innen, die es bereits in die Gespräche geschafft hatten. Die Absage flattert ins Postfach mit der in der Regel lapidaren Begründung „Danke für Ihr Interesse an einer Mitarbeit … tut uns leid … wir haben uns für einen anderen Bewerber entschieden, dessen Profil noch besser zu den Anforderungen der Position passt … Ihnen alles Gute für die Zukunft.“ Wer im Unternehmen nach den konkreten Gründen oder einem Feedback zum Gespräch fragt, erhält meist keine Antwort.

Ja, im Bewerbungsprozess aus dem Feedback der Gegenseite zu lernen, das ist nahezu unmöglich. Zu groß ist heute die Angst von Arbeitgebern, auf Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von abgewiesenen, sich diskriminiert fühlenden Bewerbern verklagt zu werden.

Absagen gehören zum Bewerbungsprozess dazu. Ich finde es völlig ok und auch wichtig, ein paar Tage nach einer Absage um den Traumjob zu trauern und vielleicht auch wütend auf sich selbst oder die Umstände zu sein. Doch es bringt nichts, darüber zu schimpfen, kein Feedback oder den echten Grund für die Absage nicht erfahren zu haben. So ist das.

Als bester Jammerer hast du keine Chance auf den Job

Erfolg als Bewerber/in ist in erster Linie eine Frage der eigenen Haltung. Sitzen mir Bewerber gegenüber, die ihre Zeit mit mir im Coachingtermin lieber damit verbringen, um über ihre niederschmetternden Erfahrungen mit Arbeitgebern der letzten Monate zu jammern, statt an einem anderen Verhalten und ihrer Zukunft zu arbeiten, dann tut es ihnen in diesem Moment zwar gut, einen „neutralen“ Zuhörer eingekauft zu haben, doch auch im nächsten Bewerbungsprozess werden sie wieder die Bestätigung dafür erhalten, dass die Arbeitswelt gemein und ungerecht zu ihnen ist.

Ja, was ich alles so von Bewerbern im Kontakt mit Arbeitgebern erfahre, ist mitunter wirklich erschreckend. Vielleicht kann ich mit meinen Beiträgen hier immer wieder etwas dazu beitragen, dass Bewerber und Arbeitgeber in Zukunft noch besser zueinander finden. Doch kein jammernder Jobwechsler wird über Jahre etablierte Bewerbungsprozesse revolutionieren und Recruiter oder Führungskräfte retten, doch bitteschön ihre Personalauswahlentscheidungen anders zu treffen.

Nutze deine Energie positiv im Bewerbungsprozess

Der Bewerbungsprozess erfordert ein hohes Maß an Motivation, Kraft und Durchhaltevermögen. Verplempert eure Ressourcen und Energie nicht, um euch über Fakten und getroffene Entscheidungen zu echauffieren. Nutze deine Kraft als Jobwechsler und Bewerber besser, um darauf Einfluss zu nehmen, was du tatsächlich gestalten kannst: Deine eigene Klarheit über den nächsten sinnvollen Schritt im Beruf, die zu dir passenden Positionen und Arbeitgeber, deine Bewerbungsunterlagen mit Profil und Kante sowie deine richtige innere Haltung als Vorbereitung guter Gespräche auf Augenhöhe. Beklage nicht hilflos die Umstände, sondern steuere und gestalte das, worauf du im Bewerbungsprozess als Individuum direkten Einfluss hast.

Mit den hier beschriebenen 10 „Aufregern“ im Bewerbungsprozess werden viele Jobwechsler wahrscheinlich noch eine Zeit lang leben müssen. Doch du als Bewerber/in kannst jederzeit frei entscheiden, ob du einen Bewerbungsprozess als Opfer der Umstände über dich ergehen lassen oder ob du das Kennenlernen zwischen dir und deinem potenziellen neuen Arbeitgeber als Chef deines eigenen Lebens mit gestalten möchtest. 

Womöglich macht ja auch deine nächste Bewerbung so ein wenig Freude? Das wünsche ich euch, denn schließlich kann jede Bewerbung der Beginn von etwas Neuem sein, das euch richtig guttut. 

Euer

Was hast du im Bewerbungsprozess schon alles – positiv wie negativ – erlebt und wie bist du damit umgegangen? Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen und Meinungen zum Thema ⤵️

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Wer schreibt hier?

Dr. Bernd Slaghuis
Dr. Bernd Slaghuis

Karriere- und Business-Coach, Dr. Bernd Slaghuis

für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Karriere ist heute mehr als nur "höher, schneller, weiter". Seit 2011 habe ich über 1.800 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf begleitet. Von der Neuorientierung und Bewerbung bis zum Onboarding. Meine Erfahrungen teile ich hier als XING Insider, auf meinem Blog und als SPIEGEL-Kolumnist.
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