Dr. Bernd Slaghuis

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for Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Diese 9 "No-Gos" darfst du dir im Bewerbungsgespräch erlauben

Bild: gratisography.com

Ratschläge, welche schlimmen Fehler dich im Bewerbungsgespräch todsicher den Job kosten, findest du massenweise im Netz. Hier sind meine neun "No-Gos", die du dir erlauben solltest, um den Job zu bekommen.

Wenn du eine Einladung zum Bewerbungsgespräch erhalten hast, dann gehen dir wahrscheinlich auch solche Gedanken wie diese durch den Kopf: Was ziehe ich an? Was muss ich vorbereiten?Wie verhalte ich mich richtig? Was ist, wenn ich einen Fehler mache und den Job nicht bekomme? 

Ja, Vorstellungsgespräche machen fast allen Bewerbern Angst - schließlich geht es auch um viel.  Und so findest du etliche Ratschläge im Netz und in Büchern, welche No-Gos, Fauxpas oder Fehltritte du dir auf keinen Fall erlauben darfst, die dich absolut todsicher den Job kosten werden. 

Statt Angst zu schüren, möchte ich heute lieber die Lust in dir wecken, mit mehr Offenheit und neugieriger Freude in die Gespräche mit deinen vielleicht bald neuen Kolleginnen und Kollegen zu gehen. 

Also, diese 9 Dinge darfst - und solltest - du dir im Bewerbungsgespräch entspannt erlauben:

1. Du pfeifst auf die vielen Benimmregeln und verhältst dich einfach normal

Soeben habe ich sie wieder entdeckt, die Benimmregeln fürs Vorstellungsgespräch: "Die Frisur soll ordentlich sein und möglichst wenig vom Gesicht verdecken." Du erfährst, was du als Bewerber anzuziehen hast, wer wem zuerst mit welcher Druckintensität die Hand bei der Begrüßung reicht, wie der Kaffee getrunken wird und du die Beine übereinander zu schlagen hast. Über diesen Benimm-Krampf, der sich längst in den Köpfen vieler Bewerber eingenistet hat, habe ich schon bei mir im Blog und hier auf XING geschrieben.

Wer sagt eigentlich, dass du dich im Vorstellungsgespräch nicht benehmen kannst? Oder würdest du etwa auf die Idee kommen, mit zerrissener Jeans ins Gespräch zur Deutschen Bank zu fahren? Würdest Du als Bewerberin dein schrillstes Party-Make-up auflegen oder im Minirock aufschlagen? Würdest Du deinen neuen Chef mit Ghettofaust und einem „Hey Alter, was geht?“ begrüßen? Oder würdest Du nach einem Gin-Tonic fragen, wenn dir ein Wasser angeboten wird? Wohl kaum.

Es geht im Bewerbungsgespräch doch darum, dass sich beide Seiten wirklich kennenlernen. Also begehe ruhig diesen „Fauxpas“ und sei so, wie du ganz normal auch bisher mit deinem alten Chef oder den Kollegen umgegangen bist. Warum ich ganz bewusst nicht sage, dass Du authentisch sein sollst, das erfährst Du hier. Also, falls du keinen Kaffee magst, darfst du ihn dankend ablehnen und nach einem Wasser fragen. So what?! 

2. Du kannst deine Selbstpräsentation NICHT auswendig aufsagen

Ich bekomme oft Anfragen von Bewerbern, die mit mir an ihrer Selbstpräsentation arbeiten möchten. Wenn sie dann bei mir sind, sagen sie auf, was sie sich vorher zurechtgelegt haben. Auf mich wirkt das jedes Mal im wahrsten Sinne des Wortes befremdlich, wenn aus dem sympathischen Menschen, mit dem ich eben noch ganz normal gesprochen und wir zusammen gelacht haben, plötzlich ein emotionsloser und steifer Bewerber wird, der wie ein großes Schulkind brav sein Gedicht aufsagt.

Also, begehe ruhig diesen „Fauxpas“ und lerne die Selbstpräsentation nicht auswendig. Schreibe dir als Vorbereitung besser nur Stichpunkte auf, die dir für deine Kurz(!)-Vorstellung wichtig sind. Wo bist du aufgewachsen, was hast du gelernt oder studiert, was zeichnet deine Berufserfahrung aus und wofür interessierst du dich? Vielleicht gelingt es dir sogar, dass es gleich ein richtiges Gespräch als Dialog über deinen Werdegang wird und du keinen Monolog über deine Vergangenheit referierst. Ist dir eigentlich bewusst, dass sich niemand besser mit deinem Leben auskennt, als du selbst?

3. Du überraschst deine Gesprächspartner mit zu ehrlichen Antworten

„Was sind Ihre Schwächen?“ – „Perfektionismus, Ungeduld und Schokolade.“ – Nicht mehr lustig! Auch du kennst sicher die angeblich besten Antworten auf die kniffeligsten Fragen aus den Bewerbungsratgebern. Auch schön: „Warum möchten Sie bei uns arbeiten?“ – „Ich suche eine neue Herausforderung und die Stelle hat mein großes Interesse geweckt.“ – Ach was! Wie soll dein Gegenüber etwas über dich als Mitarbeiter/in mit deinen Kompetenzen und Stärken und dich als Menschen mit seiner Persönlichkeit erfahren, wenn du aus Angst, zu viel zu verraten, nur mit nichtssagenden Floskeln antwortest, die zudem jeden Personaler heute nur noch langweilen?

Also, begehe unbedingt (!) diesen „Fauxpas“ und sage, was dir im Beruf und Leben wichtig ist, was dich fachlich und persönlich auszeichnet und sprich aus, was dir an Fragen im Gespräch durch den Kopf geht. Natürlich ist es deine Entscheidung, wie weit du die Hosen runter lässt und was du über dich preisgeben möchtest. Doch gibst du deinem Gegenüber überhaupt keine Chance, dich kennenzulernen, wie kann er dann beurteilen, ob du zum Chef passt oder mit dem bestehenden Team gut auskommen wirst? Wer kauft schon gerne die Katze im Sack?

4. Du lüftest das Geheimnis, warum du den Arbeitgeber wirklich wechseln musst

Hast du auch Angst davor, gefragt zu werden, warum du deinen alten Arbeitgeber verlassen musst oder möchtest? Vermutlich, weil du auch gelernt hast, dass du nicht schlecht über den Ex-Arbeitgeber sprechen darfst. Weil es nicht gut ankommt, den alten Chef als Niete oder die Kollegen als Nervensägen zu betiteln. Ja, so ist es. Denn auch dein neuer Arbeitgeber kann sich gleich in buntesten Farben ausmalen, wie du irgendwann womöglich über ihn sprechen wirst.

Dennoch kannst du auch diesen „Fauxpas“ begehen, solange du deinen alten Arbeitgeber nicht durch den Dreck ziehst. Wenn du keine Entwicklungsperspektiven mehr gesehen hast, dir mit der Zeit langweilig geworden ist, du nach einigen Jahren Lust hattest auf neue Themen oder eine ganz andere Branche oder vielleicht aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden bist – was spricht dagegen, dies so zu sagen? Selbst wenn dein alter Chef der strengste Kontroll-Freak war und du dich eingeengt gefühlt hast, kannst du auch dies positiv mit Blick in die Zukunft zum Ausdruck bringen: „Mir sind Freiräume bei der Gestaltung meiner Arbeit sehr wichtig, das hatte ich bei meinem letzten Arbeitgeber zu wenig.“ 

Du schaffst so nicht nur Klarheit über deine Wechselmotivation, sondern auch darüber, was du in Zukunft benötigst, um gut arbeiten zu können. Solange du in diesem Punkt bei dir selbst bleibst, redest du nicht schlecht über andere. 

5. Du stellst Fragen, auf die deine Gesprächspartner keine Antworten parat haben

Einer meiner Klienten hat einmal seinen zukünftigen Chef gefragt, wie er seinen Führungsstil beschreiben würde – und ihn damit sichtlich überfordert. Eine Bewerberin interessierte es, welche Strategie das Unternehmen für die nächsten Jahre verfolgt und ob es ein offizielles Strategiepapier gibt. Nachhaltigkeit und ein fester Rahmen waren ihr sehr wichtig. Eine befriedigende Antwort erhielt sie auf ihre Frage nicht – und entschied sich gegen diesen Arbeitgeber.

Also, begehe ruhig diesen „Fauxpas“ und traue dich, auch solche Fragen zu stellen, die für dich und deine Job-Entscheidung super wichtig sind, selbst wenn du dir nicht sicher bist, ob dein Gegenüber darauf souverän antworten kann. Es muss dir nicht unangenehm sein, wenn (auch) deine Gesprächspartner ins Schwimmen kommen – solange du sie nicht bewusst bloßstellst. Beide Seiten haben das Recht, alle Fragen zu stellen, deren Antworten für sie wichtig sind. Falls du etwas Inspiration brauchst, hier habe ich 45 Fragen für Bewerber zusamemngestellt. 

6. Du stellst klar, was Du im neuen Job alles brauchst, um gut arbeiten zu können

„Darf ich denn sagen, dass ich mich mit den Produkten identifizieren können muss?“, fragte mich ein Bewerber im Bereich Vertrieb, nachdem ich mit ihm an seinen wichtigsten Werten im Beruf gearbeitet hatte. „Darf ich sagen, dass ich Entscheidungsspielräume bei der Aufgabenerledigung brauche?“ Viele Bewerber haben Angst davor, eine Erwartungshaltung ihrem neuen Arbeitgeber gegenüber auszusprechen, die sie als unverschämt oder arrogant wirken lassen könnte.

Diesen „Fauxpas“ solltest du auf jeden Fall begehen, denn nur so erfährt dein neuer Arbeitgeber, was dir wirklich wichtig ist und kann selbst beurteilen, ob er dir die Arbeitsumgebung und den Rahmen bieten kann, den du benötigst, um im Team gute Leistungen zu erbringen und am Ende auch motiviert und gesund zu bleiben. Klar, dass es hier nicht um die überzogene Gehaltsforderung oder den fetten Dienstwagen geht. Doch selbst wenn dir eine angemessene Bezahlung als Wertschätzung deiner Arbeit extrem wichtig ist, solltest du auch dies frühzeitig zum Ausdruck bringen, um im Gespräch Klarheit zu schaffen. 

Das Vorstellungsgespräch ist das Gespräch über gegenseitige Vorstellungen. Beide Seiten sollten offen über ihre Erwartungen sprechen, um ein "Das hatte ich mir aber so nicht vorgestellt!" in der Probezeit zu vermeiden. 

7. Du möchtest vorher das Team kennenlernen und deinen neuen Arbeitsplatz sehen

„Wir dulden bei uns im Haus keinen Bewerber-Tourismus“, soll ein Personaler einmal als Antwort gesagt haben. Für mich wäre das Gespräch damit beendet gewesen. Für viele Bewerber ist es extrem wichtig, ihren zukünftigen Arbeitsplatz zu sehen und sich auch einen ersten Eindruck von den Kollegen zu verschaffen. 

Ich rate allen Jobwechslern, denen Kollegialität enorm wichtig ist, im zweiten oder dritten Gespräch – wenn also beide Seiten großes Interesse an einer Anstellung haben, von sich aus nach einem Probearbeitstag zu fragen, um ein gutes Gefühl für die Arbeitsatmosphäre sowie das Team zu bekommen. Also, wenn es auch dir nicht egal ist, wo und mit wem du in den nächsten Jahren 8 Stunden und mehr am Tag verbringst, dann begehe auch diesen „Fauxpas“.

8. Du lässt dich auf ein lockeres Gespräch ein und es macht dir sogar Spaß

Small-Talk zu Beginn des Bewerbungsgesprächs ist ok – ja sogar ein Muss, das hast du bestimmt auch in den Ratgebern schon gelesen. Doch dann muss es um den Ernst der Sache gehen, ein Bewerbungsgespräch ist ja schließlich kein Vergnügen! - Aber warum eigentlich nicht? Eine junge Bewerberin beichtete mir, dass sie sich bei einem Telefoninterview richtig gut mit der etwa gleich alten Personal-Referentin verstanden habe und sie im Gespräch sogar über private Dinge ins Plaudern kamen und es richtig nett war – doch wenig später kam die Absage. Sie führte es auf das zu lockere Gespräch zurück.

Ich bin der Meinung, du kannst froh sein, wenn dir dieser „Fauxpas“ widerfährt. Es gibt doch nichts besseres, als mit einem Gesprächspartner auf einer Wellenlänge zu sein und sich entspannt unterhalten zu können. Wer sagt, dass ein gutes Bewerbungsgespräch nur ernst und stocksteif sein muss? Wer sagt, dass nicht auch mal gemeinsam gelacht werden darf? Am Ende geht es um Sympathie und ein gutes Gefühl - auf beiden Seiten. Und ich bin mir sicher, Personaler sind auch Menschen, die sich freuen, wenn sie Spaß in ihrem Job haben :) 

9. Du gibst nach dem Gespräch zu, dass es nicht passt und du den Job nicht willst

Du sitzt im Gespräch und nach einer Stunde ist für dich klar: Mit diesem Chef wird das nichts! Oder die Aufgabe entpuppt sich als eine völlig andere als in der Stellenanzeige beschrieben und deine Lust darauf hat sich im Gespräch in Luft aufgelöst. Doch als Bewerber sagen, dass es nicht passt? – das darf man doch nicht! Eine typische Denkweise von Bewerbern in Bittsteller-Haltung.

Du ahnst es bereits, auch diesen „Fauxpas“ solltest du begehen, denn er bewahrt dich davor, einen Job anzunehmen, auf den du eigentlich keine Lust hast. Ein Bewerbungsgespräch ist ein Treffen, bei dem sich beide Seiten darüber Klarheit verschaffen dürfen, ob eine Zusammenarbeit in den nächsten Jahren sinnvoll ist. Kommst Du im Verlauf der Gespräche zu der Erkenntnis oder hast du das Bauchgefühl, dass es nicht passt, dann solltest du dies zunächst für dich hinterfragen und im Anschluss auch deinen Gesprächspartnern gegenüber zum Ausdruck bringen, was dich bewegt. 

Peinlichkeiten im Bewerbungsgespräch? – Gibt’s doch nicht!

Wenn du bis hierher gelesen hast, dann hast du womöglich bemerkt, dass ich der Meinung bin, dass es eigentlich keine schlimmen Fauxpas, Fettnäpfchen, Fehltritte oder Missgeschicke in Vorstellungsgesprächen gibt. Damit meine ich ausdrücklich nicht solche Fragen von Arbeitgebern, die in Vorstellungsgesprächen rechtlich untersagt sind, denn hier hört der Spaß ganz klar auf.

Ja, natürlich ist es unangenehm, wenn du den Inhalt aus deinem Glas Wasser vor Aufregung einmal über dem Tisch verteilst oder du inmitten des Gespräches bemerkst, morgens zwei verschiedenfarbige Socken angezogen zu haben. Natürlich ist es für dich als Bewerber eine schwierige Situation, wenn du erkennst, dass dein Gegenüber mit einer Frage von dir überfordert ist und natürlich ist es schwierig, die Kündigung deines Arbeitgebers als Wechselgrund zu verkaufen.

Doch ein Fauxpas entsteht immer erst aus einer Bewertung von Verhalten oder Gesagtem sowie dem Gefühl, das sich bei dir oder den Menschen in deinem Umfeld auf Basis dessen einstellt. Deine Haltung und persönliche Einstellung dazu entscheiden jedoch darüber, ob etwas peinlich ist oder nicht.

Mein Tipp: Sprich das Offensichtliche an, statt Panik zu bekommen und etwas krampfhaft überspielen zu wollen. Das entspannt die Situation schlagartig und du zeigst, dass du souverän damit umgehen kannst. „Wissen Sie, zu Vorstellungsgesprächen ziehe ich immer eine schwarze und eine blaue Socke an, das bringt Glück.“ ;-)

In diesem Sinne wünsche ich Dir entspannt viel Freude in deinem nächsten Vorstellungsgespräch.

Viele Grüße aus Köln,

Dein & Euer

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Was sind deine Gedanken zu meinem Text? Oder in welche angeblich schlimmen „Fettnäpfchen“ bist du im Bewerbungsgespräch schon getreten und wie bist du damit umgegangen? Ich bin gespannt auf deine Erlebnisse und Meinung unten als Kommentar.

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Karriere- und Business-Coach, Dr. Bernd Slaghuis

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Karriere ist heute mehr als nur "höher, schneller, weiter". Seit 2011 habe ich über 1.800 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf begleitet. Von der Neuorientierung und Bewerbung bis zum Onboarding. Meine Erfahrungen teile ich hier als XING Insider, auf meinem Blog und als SPIEGEL-Kolumnist.
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