Nachhaltige Mobilität im Handel: Chancen und Herausforderungen
Unsere Herausforderung ist es, die Ware in die Großmärkte zu bekommen und damit das Angebot täglich für unsere professionellen Kunden bereit zu halten. Das ist unsere Kernkompetenz. Herausfordernd wird es, wenn, wie durch die Covid-19 Pandemie verursacht, Lieferketten unterbrochen werden oder die Frage nach Umweltauswirkungen der Belieferungssparte immer drängender werden. Eine LKW-Flotte umweltbewusst aufzustellen, zahlt nicht nur auf die Klimabilanz eines Unternehmens ein, sondern ist auch ein Business Case, denn Kosten für Treibstoffe, Ad blue® und Maut lassen sich durch die Umstellung auf Erdgastrucks (CNG/LNG) oder Elektro-LKW vermeiden. Während wir im Bereich der CNG-Trucks gute Erfahrungen machen, können alternative Antriebe bei LKW über 7.5 Tonnen derzeit weder kosten- noch zeiteffizient betrieben werden. Für Lebensmittelhändler stellt sich zusätzlich die Frage, wie man die Kühlkette umweltfreundlich gestaltet, denn das Kühlaggregat eines LKWs braucht Energie und ein Kältemittel. Hier muss die Automobilindustrie liefern, denn an wirklichen Lösungen fehlt es bis jetzt.
Für Kunden bedeutet Belieferung einen Zugewinn an Zeit, den sie in ihr eigenes Unternehmen investieren können. Das ist vor allem vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Faktor. Wir haben Übrigens in einem Impact Assessment nachgewiesen, dass das Belieferungsgeschäft die Umwelt nicht mehr belastet als der konventionelle Store-Besuch, sondern sogar zusätzliche positive Wirkungen auf Kunden, Umwelt und Gesellschaft bietet. Durch die direkte Belieferung sparen die Kunden Zeit, Kühlketten werden nicht unterbrochen und Transportwege effizient zusammengefasst – das reduziert CO2-Emissionen und vermeidet Lebensmittelabfälle. Wenn die Zustellfahrzeuge in den Innenstädten dann auch noch wenig oder gar keine Emissionen verursachen, auch in Bezug auf Lärm, dann wird der Gewinn für Mensch und Umwelt recht schnell deutlich.
Wir bieten unseren Kunden mit Lademöglichkeiten für E-Autos und E-Bikes einen Mehrwert, denn sie können während ihres Einkaufs im Großmarkt kostenfrei laden und wir unterstützen sie in ihrer nachhaltigen Mobilitätsentscheidung, denn von uns aus geht es emissionsfrei weiter. Zum Bild gehört auch, dass Handelsunternehmen mit ihren großen Parkflächen gesetzlich zur Bereitstellung von Ladesäulen verpflichtet sind und damit einen größeren Beitrag zur flächendeckenden Ladeinfrastruktur leisten als die Automobilindustrie selbst. Für die Lieferlogistik der Handelsunternehmen ist die Auseinandersetzung mit alternativen Antrieben wichtig, da deren Einsatz unmittelbar dazu beitragen wird, die Klimabilanzen der Unternehmen positiv zu beeinflussen. Wie oben beschrieben stehen wir hier aber vor allem in Bezug auf Schwerlader und Kühl-LKW noch vor großen Herausforderungen.
Nicht nur auf dem Kundenparkplatz, sondern auch an der Rampe eine Ladeinfrastruktur zu errichten. So wie bei manchem bekannten Möbelhaus scherzhaft von einem „Restaurant mit angeschlossenem Möbelverkauf“ gesprochen wird ist dann die energetische Herausforderung des Handelsstandortes „Ladepunkt mit angeschlossenem Lebensmittelmarkt“ zu sein.
Wir haben seit 2018 ein Science-Based Target, d.h. konkrete Verpflichtungen, unsere CO2-Emissionen in drei Ebenen, scopes, zu reduzieren. Dazu gehört auch der Pendelverkehr unserer Mitarbeiter zu ihren Arbeitsplätzen in den Stores und Unternehmenszentralen. Elektromobilität deswegen im eigenen Unternehmen mit weltweit knapp 100.000 Mitarbeitern voranzutreiben, heißt, einen gewaltigen Hebel für emissionsarme Mobilität zu nutzen. Im Headquarter in Düsseldorf laden unsere Mitarbeiter an über 100 Ladepunkten kostenfrei. Und wir sehen, dass unsere Arbeit Früchte trägt: mit wachsenden Berührungspunkten im Alltag und dem Aufbau einer Ladeinfrastruktur steigt auch die Nachfrage nach EVs in unserer Flotte. Über 300 Dienst-PKW fahren mittlerweile elektrisch.
Das zahlt im Übrigen auch auf unsere Selbstverpflichtung als Gründungsmitglied der EV*100 Initiative der Climate Group überein. Unser Ziel ist es, Elektromobilität nach vorn zu bringen und einen entscheidenden Beitrag zu leisten. Bis 2030 wollen wir 1.000 Ladepunkte weltweit an unseren Stores und Zentralen errichten, aktuell gehen wir auf die 600 zu.
Umweltbewusst und nachhaltig zu agieren ist in unserem Fall Risikomanagement. Unsere Kunden sind Gastronomen und Einzelhändler. Wir handeln hauptsächlich mit natürlichen Ressourcen, deren Verfügbarkeit unmittelbar von Umwelt- und Klimafaktoren abhängt. Insofern ist unser Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz getragen von intrinsischem Interesse.
Wir haben uns 2015 verpflichtet, unsere spezifischen Treibhausgasemissionen pro Quadratmeter Verkaufs- und Belieferungsfläche gegenüber2011 zu halbieren. Im Juli 2021 haben wir dieses Klimaziel verschärft und streben nun bis 2040 Klimaneutralität in unserem eigenen weltweiten Geschäftsbetrieb an. Das bedeutet, dass wir die Emissionen im Bereich Strom, Wärme, Kältemittel, Papier, Dienstreisen und Dienstfahrzeuge entsprechend reduzieren müssen. Dafür sind 1,5 Milliarden Euro eingeplant, denn wir wollen den Großteil durch Investitionen in Innovationen aus eigener Kraft und real schaffen – nicht durch Offsetting.
E-Mobilität beschäftigt mich seit 2010. 2012 haben wir am Campus Düsseldorf die ersten 10 Ladepunkte errichtet – jetzt sind es allein dort 100! Das Mobilitätskonzept als solches wurde ab 2015 entwickelt – einerseits um den ganzheitlichen Blick auf Verkehrs- und Transportmobilität zu haben und andererseits als Teil eines aktiven Risiko- und Vorsorgemanagements im Zusammenhang mit den drohenden Diesel-Fahrverboten in manchen Innenstädten.
Wir steuern das Mobilitätskonzept in fünf Dimensionen:
• Logistik vom Lager oder Lieferanten zum Großmarkt
• Lieferzustellung vom Lager oder Großmarkt zum Kunden
• Mobilität der Kunden vom und zum Großmarkt
• Dienstreisen und Dienstfahrzeuge
• Mobilität unserer Mitarbeiter zum Büro und Großmarkt.
Durch diese Herangehensweise bekommt man auch die Chance, manche Entwicklungen vorauszudenken. So hat METRO seine LKW-Flotte komplett mit Abbiegeassistenten ausgestattet – lange bevor die öffentlichen Diskussionen zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer begannen. Es ist ein Unding, dass zum Schutz insbesondere von Radfahrern, aber auch der Mitarbeiter-Fahrer-Kollegen so etwas nicht schon längst im Stadtverkehr vorgeschrieben war. Wir setzen auch seit Jahren bereits aufgeräuscharme LKW-Reifen als Standard zur Lärmreduktion und nicht zuletzt die Investition in CNG-Trucks ist ein Zeichen dafür, dass wir grüne Mobilität vorantreiben – im Sinne unserer Kunden, Mitarbeiter und unserer Umweltziele.
Olaf Schulze, geboren 1963 in Halle/Saale, wohnhaft in Erfurt. Studium Staats- und Rechtswissenschaften Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2005 bei der METRO, derzeit Director Energy Management & REAL Estate Sustainability METRO Properties Holding GmbH, Düsseldorf.
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Olaf Schulze: Mobilität gegen den Klimawandel. Das Mobilitätskonzept der METRO. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020, S. 157-176.
Olaf Schulze: Energie für den Handel – Herausforderungen für Unternehmen und Politik. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage, Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2019.