Bewerbungsfragen können ganz schön herausfordern - einige Fragen solltest Du aber nicht akzeptieren. ©Sergio Mendoza Hochmann via Getty Images, bearbeitet von XING Redaktion

„Sind Sie schwul?“ Diese Bewerbungsfragen sind verboten (und Du darfst lügen!)

„Möchten Sie Kinder?“ oder „Haben Sie einen Freund?“ – hier einige unzulässige Praxisbeispiele und ihre rechtliche Einordnung.

Viele Bewerber·innen wissen zu wenig über ihre Rechte und würden Fragen in Bewerbungsgesprächen dulden, die rechtlich gar nicht erlaubt sind. Das ergibt eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS).

Die etwa 1000 Befragten berichteten, dass sie in einem Bewerbungsgespräch schon mal nach ihrem Alter, Familienstand oder ihrer Staatsangehörigkeit gefragt worden wären – Informationen, die Arbeitgeber·innen nicht zu interessieren haben.

Möglicherweise ist Dir das auch schon einmal passiert. Daher solltest Du Folgendes über Bewerbungsfragen wissen:

Du bist durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umfasst 33 Paragrafen und verbietet unter anderem Benachteiligungen aus Gründen der: 

  • ethnischen Herkunft 

  • des Geschlechts 

  • der Religion oder Weltanschauung 

  • einer Behinderung 

  • des Alters oder 

  • der sexuellen Identität 

👉🏻 Fragen zu diesen Merkmalen sind im Bewerbungsgespräch grundsätzlich nicht erlaubt.

Ausnahmen gelten nur, wenn ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Das ist zum Beispiel bei konfessionellen Einrichtungen oder besonderen beruflichen Anforderungen, wie bei einer Arbeit im Polizeivollzugsdienst, der Fall. Selbst dann gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 

🧩 Unzulässige Bewerbungsfragen und warum sie tabu sind 

Grundsätzlich gilt im Bewerbungsgespräch: Deine Privatsphäre muss respektiert werden. Fragen, die diskriminierend wirken oder keine berufliche Relevanz haben, sind rechtswidrig. 

Hier ein paar Praxisbeispiele – mit rechtlicher Einordnung

🏳️‍🌈 Sexuelle Identität

Wen Du liebst und wie Du Dich identifizierst, sind Informationen, die vom Allgemeinen Gleichstellungsgestz (AGG) und Grundgesetz (GG) geschützt sind.

Folgende Fragen sind im Vorstellungsgespräch deswegen nicht erlaubt

  • Bist Du schwul, lesbisch oder hetero?”

  • Hast Du (auch) einen Freund?

  • Lebst Du allein? / Mit wem lebst Du zusammen?

  • Bist Du verheiratet?

➡️ Die sexuelle Identität ist Privatsache und kein Kriterium dafür, ob Du für die Stelle geeignet bist.

🧓 Alter 

Auch das Alter ist ein durch § 1 des AGG geschütztes Merkmal. 

Folgende Beispielfragen sind bei der Bewerbung unzulässig

  • Wie alt bist Du?

  • Wann möchtest Du in Rente gehen?

💡 Wusstest Du, dass Du nicht einmal Dein Geburtsdatum oder Alter in Deiner schriftlichen Bewerbung angeben musst? Das AGG schützt vor einer Diskriminierung wegen des Alters, weshalb diese Informationen bei Bewerbungen nicht relevant sein sollten.

 ➡️ Dennoch gaben bei der Umfrage zu unzulässigen Fragen in Vorstellungsgesprächen der ADS die jüngsten (15- bis 29-Jährigen) und ältesten Befragten (60- bis 71-Jährigen) am häufigsten an, bei Bewerbungsgesprächen in den letzten fünf Jahren nach ihrem Alter gefragt worden zu sein.  

🤥 Darfst Du in einem Bewerbungsgespräch lügen? 

Erkundigen sich Arbeitgeber·innen dennoch im Bewerbungs­gespräch nach diesen Merkmalen oder fragen Dich indirekt etwas, was eine Benachteiligung ermöglichen könnte, bist Du berechtigt, die Frage gar nicht oder bewusst falsch zu beantworten.  

👉🏻 Im Klartext heißt das, dass schwangere Personen beispielsweise ihren Babybauch beim Vorstellungsgespräch verstecken dürfen, damit potenzielle Arbeitgeber·innen ihnen keine schlechteren Einstellungschancen geben.  

Auch Fragen zum Beziehungsstatus, zur sexuellen Orientierung oder zu gesundheitlichen Einschränkungen müssen nicht ehrlich beantwortet werden – sofern sie nicht unmittelbar mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängen. 

✅ Wirst Du angestellt und Deine Lüge wird aufgedeckt, kann Dir das rechtlich keine Nachteile bringen. Da die Frage unzulässig war, kann daraus keine Täuschung abgeleitet werden, die eine Kündigung oder Vertragsaufhebung rechtfertigen würde. 

Schließlich dürfen Dich Unternehmen nicht aufgrund von Alter, Herkunft, Geschlecht, sexueller Identität, Religion und Behinderungen schlechter behandeln.  

🧑‍🧑‍🧒‍🧒 Familienstand und Schwangerschaft  

Ob Du gerade schwanger bist oder um wen Du Dich privat kümmerst, darf auch kein Auswahlkriterium bei einem Bewerbungsprozess sein. Davor schützt Dich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und unser Grundgesetz.  

Bewerbungsfragen wie:  

  • Bist Du schwanger?

  • Hast Du Kinder?

  • Hast Du einen Kinderwunsch?

  • Wie sieht Deine Familienplanung aus?

  • Pflegst Du Angehörige?

  • Wie lässt sich Dein Anforderungsprofil mit Deinen familiären Verpflichtungen vereinbaren?

sind nicht zulässig.  

➡️ Fragen nach einer Schwangerschaft sind grundsätzlich nicht erlaubt, selbst wenn aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen in dem gefragten Bereich Schwangere gar nicht arbeiten dürfen. In der Rechtsprechung sind Schwangerschaften nämlich nur eine vorübergehende Arbeitsverhinderung.  

🌍 Ethnische Herkunft und Nationalität 

Bewerbungsfragen, die sich nach Deiner Herkunft oder Staatsangehörigkeit erkundigen, sind ebenalls nicht erlaubt. Das regelt das AGG und die EU-Richtlinie 2000/43/EG. 

Diese Fragen musst Du daher nicht (ehrlich) beantworten: 

• Woher kommst Du?/ Woher kommen Deine Eltern?

• Hast Du die deutsche Staatsbürgerschaft?

• Was ist Deine Muttersprache? / Ist Deutsch Deine Muttersprache?

• Sprichst Du akzentfrei Deutsch?

➡️ Die Staatsangehörigkeit und die Muttersprache werden zwar in § 1 AGG nicht als geschützte Merkmale genannt, bei Fragen danach kann es sich aber dennoch um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft ­handeln.  

Zulässig ist dagegen die Frage nach sehr guten deutschen Sprachkenntnissen, aber nur wenn diese für die ausgeschriebene Stelle tatsächlich erforderlich sind. 

Die Umfrage der ADS zeigt auf, dass die Frage nach der Staatsangehörigkeit deutlich häufiger an Personen mit Migrationshintergrund gestellt wird als an Personen ohne Migrationsgeschichte.

Behinderung oder chronische Erkrankung 

Auch Fragen, mit denen mögliche Krankheiten oder Behinderungen erkenntlich würden, sind in einem Bewerbungsgespräch grundsätzlich verboten:  

  • Hast Du eine Behinderung?

  • Gibt es körperliche Einschränkungen, die wir kennen sollten?

  • Wie oft bist Du krank? / Warst Du in letzter Zeit krank?

➡️ Solche Fragen sind nur erlaubt, wenn sie sich unmittelbar auf die Arbeitsfähigkeit beziehen. 

🚨 Was Du bei unzulässigen Bewerbungsfragen tun kannst

Direkt reagieren

Du kannst unzulässige Fragen höflich zurückweisen:
Diese Frage betrifft meine Privatsphäre – ich möchte darauf nicht antworten.

Dokumentieren

Nach einem Bewerbungsgespräch, in dem Dir rechtswidrige Fragen gestellt wurden, kannst Du den Gesprächsverlauf, die gestellten Fragen und Beteiligten schriftlich festhalten, um Dich zu beschweren.

☎️ Anlaufstellen bei Beschwerden

Fühlst Du dich im Bewerbungsprozess oder im Job wegen Deines Alters, Geschlechts, Deiner Herkunft, Religion, Behinderung oder sexuellen Identität benachteiligt, darfst Du dich beschweren.

Erkundige Dich dafür beim Unternehmen nach einer Beschwerdestelle. Jede Firma muss Dir dafür den zuständigen Bereich nennen.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Vorfall zu prüfen und nötigenfalls Maßnahmen zu ergreifen. Das kann zum Beispiel eine Abmahnung oder Schulung sein. So soll Diskriminierung im Betrieb konsequent unterbunden werden.

Möchtest Du nicht das Unternehmen ansprechen, kannst Du Dich auch direkt an das Beratungsportal der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden.

Beratung bei LGBTQIA* Diskriminierung bietet beispielsweise der Ratgeber des LSVD* Deutschland.

 ⚖️ Rechtlich gegen diskriminierende Bewerbungsfragen vorgehen

Solltest Du als Bewerber·in abgewiesen werden und eine unzulässige Nachfrage gestellt worden sein, kannst Du eine Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern erhalten, selbst wenn Du die Stelle ohnehin nicht erhalten hättest. Dieser Anspruch auf Schadensersatz ist in dem AGG geregelt.

Überlegst Du, eine arbeitsrechtliche Klage aufgrund von Diskriminierung einzureichen, hast Du dafür zwei Monate Zeit (§ 15 Abs. 4 AGG). 

Fazit: Kenn Deine Rechte 

Du musst nicht jede Frage in Bewerbungsgesprächen hinnehmen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und das Grundgesetz schützen Dich davor, dass diese Merkmale für den Auswahlprozess relevant sind. Denn: sogar Flunkern ist unter bestimmten Umständen erlaubt. Bewerber·innen haben Rechte – und Arbeitgeber·innen die Pflicht, diese zu wahren. 

📣 Welche unzulässigen Fragen hast Du schon mal im Bewerbungsgespräch erlebt? 

Dieser Artikel wurde von Lilli-Marleen Gramckow und Jessica Chen verfasst.  

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