Wie verändert künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt?
Für die einen ist es das Horrorszenario schlechthin, für die anderen liegt in ihr die Zukunft der Arbeit: Künstliche Intelligenz (KI) gilt als die nächste Stufe der Digitalisierung. Was kann KI gut und wo gibt es Risiken? Nimmt sie uns Arbeit weg oder kann sie unsere Arbeit besser machen? Und wie können wir den Einsatz von KI in der Arbeitswelt aktiv gestalten?
Wie rasend schnell sich die Arbeitswelt wandeln kann, hat die COVID-19-Pandemie gezeigt. Innerhalb weniger Wochen hat das orts- und zeitunabhängige Arbeiten einen völlig neuen Stellenwert – bis hin zur Frage, ob wir künftig überhaupt noch Büros brauchen. Unzählige Beschäftigte arbeiten auch nach dem Lockdown weiter von zu Hause. Was vorher für viele undenkbar war, ist auf einmal Realität.
Auch im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) waren bis zu 90 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice. Heute sind es immer noch etwa ein Drittel. Den „Crashtest Homeoffice“, wie Staatssekretär Björn Böhning es nennt, hätten Unternehmen und Beschäftigte in Deutschland überraschend gut bewältigt: „Die digitale Infrastruktur funktioniert – anders, als man erwartet hatte.“ Gleiches gelte für die Loslösung von der Präsenzkultur: Sie sei einfach umgesetzt worden. Und vieles davon werde bleiben. Im Podcast „INQA-Arbeitswoche“ erzählt Björn Böhning mehr zu den Themen Digitalisierung und Homeoffice.
Auch in einem anderen Bereich schreiten die Veränderungen der Arbeitswelt weiter voran: Künstliche Intelligenz (KI) gilt als nächste Stufe der Digitalisierung. Anhand von Daten lernen Maschinen aus wiederkehrenden Mustern eigene Entscheidungen abzuleiten. Für die Arbeitswelt heißt das: Gerade Routinetätigkeiten könnten künftig von KI übernommen werden. Was bei den einen die Angst vor Arbeitsplatzverlust heraufbeschwört, ist für andere die Chance, sich von monotonen Tätigkeiten zu befreien und stärker selbstbestimmt und kreativ zu arbeiten.
Auch die Lern- und Experimentierräume des BMAS, die Betriebe darin unterstützen, neue Arbeitsweisen zu erproben, beschäftigen sich intensiv mit dieser Entwicklung. Noch in diesem Jahr werden ein Dutzend vom BMAS geförderte „KI-Experimentierräume“ an den Start gehen. Darüber hinaus erhalten Expertinnen und Experten eine Plattform, um die Chancen und Herausforderungen von KI zu erörtern und zu diskutieren.
So ist etwa unstrittig, dass KI eine Reihe von Vorteilen für Unternehmen mit sich bringt: neue Geschäftsmodelle und kundenorientiertere Angebote, Produktivitätssteigerungen oder Erleichterungen beim Personalmanagement. Beim Online-Fotodienstleister CEWE beispielsweise hilft KI bei der Bildauswahl. Anhand der Analyse vergangener Kundenentscheidungen weiß die Technologie, was Käuferinnen und Käufer als schön empfinden, abseits von starren Faktoren wie Schärfe oder Belichtung.
Beim Autobauer Volkswagen sieht man die Chancen der KI etwa in der Bewertung von Fähigkeiten und Talenten der Mitarbeitenden und der Zusammensetzung leistungsfähiger Teams. Mehr noch: Mit einer eigenen innerbetrieblichen Studie „digital@work“ versucht VW grundsätzlich herauszufinden, wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz das Arbeiten im Konzern verändern werden.
Und auch kleinere Betriebe können von KI profitieren: „Ein großer Mythos bei der KI ist, dass wir unglaublich viele Daten brauchen. Dabei haben auch mittelständische und kleine Unternehmen Daten zur Verfügung“, meint der Innovationspsychologe und Gründer Christoph Burkhardt, etwa Verkaufszahlen. Kern der KI sei es, dieses Wissen nutzbar zu machen: „Im Grunde geht es immer darum, jemanden vorherzusagen in seinen Präferenzen und Entscheidungen“, so Burkhardt. Die eigentliche Herausforderung für KMU sei dabei nicht, die KI zu nutzen, sondern die Geschwindigkeit der Veränderungen durch die KI.
Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert.Christoph Burkhardt
Warum es Mut zum Experimentieren braucht, erklärt Innovationsexperte Christoph Burkhardt:
Dass all das für Verunsicherung sorgt, weiß Claudia Pohlink, Head of Artificial Intelligence/Machine Learning bei den Telekom Innovation Laboratories. KI sei für viele etwas Neues und eine nur schwer nachvollziehbare Technologie – mit Folgen. „Eine KI trifft Entscheidungen, aber man kann nicht genau sehen, wie sie zu dieser Entscheidung kommt. Das macht vielen Menschen Angst.“
Deshalb sei es wichtig, transparent zu sein, die Mitarbeitenden an die KI heranzuführen und ihnen zu erklären, wie diese funktioniert. Außerdem sollten sich Unternehmen ethische Leitlinien geben und zum Beispiel klar regeln, dass KI nur im Sinne des Menschen eingesetzt wird und Entscheidungen einer KI abschließend von einem Menschen überprüft werden müssen. Dass eine KI irgendwann alles übernimmt, daran glaubt Pohlink nicht. Dazu fehle der KI die Fähigkeit, abzuwägen und kreativ mit Wissen umzugehen.
Bauchgefühl und Emotionen kann eine Maschine niemals übernehmen.Claudia Pohlink
Stattdessen wird KI unsere Arbeit wohl eher unterstützen und bereichern. Im Büro könnte eine KI als Assistenz genauso selbstverständlich werden wie heute der Computer. In der Produktion oder Pflege könnten Roboter schwere körperliche Tätigkeiten übernehmen und damit die Arbeit humanisieren.
Daran glaubt auch Dr. Matthias Peissner vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO: „Die Zukunft der Arbeit wird stark geprägt sein von einer engen Kooperation zwischen Mensch und Technik. KI ist in der Lage, unsere Fähigkeiten zu erweitern, große Datenmengen abzusuchen, Entscheidungen vorzubereiten und uns zu assistieren. Dadurch entstehen neue Spielräume für Mitgestaltung und Eigenverantwortung. Arbeit kann interessanter werden, abwechslungsreicher und mit mehr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung.“
Dabei ist auch die beste Maschine nicht unfehlbar. So ist beim Einsatz von KI in der Personalentwicklung das Phänomen bekannt, ungewollt Diskriminierungen fortzuschreiben. Durch die Analyse der Personaldaten in einem Unternehmen hatte eine KI „gelernt“, Frauen seltener vorzuschlagen, weil Stellen in der Vergangenheit vorzugsweise männlich besetzt waren. Ungeklärt ist auch die Frage, wer für Fehler haftet, wenn eine KI eine falsche Entscheidung trifft. Ebenso ist Datenschutz ein wichtiges Thema.
Hier müssen Antworten gefunden werden – gemeinsam mit den Beschäftigten. Wie das gehen kannn, zeigt der Elektroniksysteme-Hersteller Phoenix Contact. Neben umfassender Information über jeden einzelnen Schritt des Unternehmens geht es vor allem um die Einbeziehung der Mitarbeitenden, von Anfang an auch des Betriebsrats. Geschäftsführer Prof. Dr. Gunther Olesch: „Wir machen große Workshops, bei denen 600 Mitarbeiter aus der Produktion zusammenkommen und entscheiden, wie kann unsere digitalisierte Welt aussehen und was müssen wir dafür tun.“ Vor allem Qualifizierung sei hierfür entscheidend, aber auch der Mut, neue Wege zu gehen.
Prof. Dr. Gunther Olesch über die vier wichtigsten Maßnahmen bei Phoenix Contact:
Klar scheint schon jetzt: Die hohen Anforderungen an das Selbstmanagement der Beschäftigten, die BMAS-Staatssekretär Björn Böhning als eine wesentliche Folge der COVID-19-Pandemie ausmacht, werden in Zukunft und mit Blick auf den Einsatz von KI noch weiter wachsen. Dieser großen Herausforderung müssen sich Unternehmen und Beschäftigte gemeinsam stellen.
Service-Info: Mit dem Webportal experimentierräume.de bietet das BMAS eine Plattform, auf der Unternehmen und Verwaltungen durch inspirierende Beispiele Impulse erhalten, um neue Wege in Richtung Arbeitswelt der Zukunft zu gehen. In einer regelmäßigen Artikelreihe werden ausgesuchte Beispiele der Experimentierräume hier vorgestellt.
Die neue Podcast-Reihe „INQA-Arbeitswoche“ gibt Einblick in den Berufsalltag von Politikentscheider*innen im BMAS. Sie zeigt, was in der aktuellen Woche passiert ist, welche Maßnahmen sich in der Praxis bewähren und wo es Verbesserungsbedarfe gibt. Alle Folgen gibt es auch auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts und Google Podcasts.